Ob Party, Politik oder Partnersuche – aus welchen Gründen auch immer die 300 jungen jüdischen Erwachsenen am diesjährigen Jugendkongress der Zentralwohlfahrtsstelle (ZWST) in Frankfurt teilgenommen haben, sie alle dürften auf ihre Kosten gekommen sein.
»Hier dabei zu sein, das ist wie nach Hause kommen«, schwärmt etwa Julia (28) aus Saarbrücken. »Alle sind so freundlich, so offen«, findet auch Irene (27) aus Wien: »Außenseiter gibt es hier nicht. Niemand ist alleine. Jeder findet Anschluss.« Ihre Freundin Polina (32) aus München pflichtet ihr bei: »Das ist dieses besondere jüdische Zusammengehörigkeitsgefühl«, meint sie. »Wo sonst kommen so viele junge jüdische Leute aus ganz unterschiedlichen Städten und Gemeinden zusammen? Jeder hier fühlt sich als Teil einer großen Gemeinschaft!«
Viele waren nicht zum ersten Mal dabei – man kennt sich von früheren Kongressen in Berlin oder Frankfurt. »Ich habe einerseits Bekannte aus den Vorjahren wiedergetroffen, andererseits aber auch jede Menge neuer Leute kennengelernt«, berichtet Stanislav (28) aus Dresden, der gerade sein Studium der Produktionstechnik abgeschlossen hat.
Programm Bei der Schlussveranstaltung am Sonntagvormittag, dem letzten von vier Kongresstagen, sieht er zwar etwas blass aus, wirkt aber ansonsten hellwach, obgleich er bei der großen Party in der Nacht zuvor die ganze Zeit getanzt hat: »Das Programm mit den interessanten Vorträgen und die vielen Begegnungen haben mich wie einen Akku neu aufgeladen«, sagt er. »Diese Energie nehme ich von hier mit nach Hause.«
Wie üblich waren auch in diesem Jahr bedeutende Repräsentanten der jüdischen Welt als Redner beim Jugendkongress, darunter der ehemalige israelische Außenminister Mosche Yaalon und der frühere UN-Botschafter Israels, Ron Proser.
Antisemitismus Die angehende Kulturanthropologin Irene fand jedoch den Workshop des Politikwissenschaftlers und Islamkenners Bassam Tibi am spannendsten. Er sprach über den »Antisemitismus als eine der sechs Säulen des Islamismus«. Vor allem aber hatten die Teilnehmer dieses Mal auch Gelegenheit, selbst Politik zu machen, bei der ersten Vollversammlung der frisch gegründeten Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) am Sonntag, in deren Verlauf deren Vorstand und Präsident gewählt wurden.
Dalia Grinfeld, die mit 115 Stimmen die Präsidentenwahl am Ende für sich entscheiden konnte, zeigte sich dabei als professionelle Wahlkämpferin. Kein Wunder: War die 22-jährige Berlinerin doch schon Schulsprecherin an der Jüdischen Oberschule und ist nun als politische Beraterin bei der EU aktiv. Mit ihr im Vorstand werden Benny Fischer, Mike Samuel Delberg, Aaron Serota und Arthur Poliakow sein.
Gefeiert wurde dieses Mal aber auch ein Jubiläum: 2017 wird die ZWST 100 Jahre alt und kann daher als einer der ältesten Wohlfahrtsverbände in Deutschland gelten. In zwei Podiumsgesprächen blickten Wegbegleiter und ehemalige Jugendleiter der ZWST gemeinsam zurück auf insgesamt 66 Jahre soziales Engagement für Juden in Deutschland. 1951 hatte die ZWST auf Beschluss des Zentralrats ihre Arbeit wieder aufgenommen.
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