Antisemitismusbeauftragte der Länder und des Bundes haben sich am Dienstag in Heidelberg zu einem Meinungsaustausch mit Teilnehmern einer Fortbildung für Religions- und Hebräischlehrkräfte getroffen.
Beim Gespräch in der Hochschule für Jüdische Studien betonte Daniel Botmann, Geschäftsführer des Zentralrats der Juden, dass die Schule im Kampf gegen Antisemitismus strategisch ein wichtiges Feld sei. »Dort werden Grundlagen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für eine demokratische Bildung gelegt.«
Das Problem von Antisemitismus in Schulen sei ganz konkret, nicht nur in Berlin, sondern in der gesamten Republik. »Diesem Problem müssen wir uns stellen«, forderte Botmann. Und da gebe es klare Erwartungen an die Beauftragten des Bundes und der Länder: »Es ist Zeit, nicht nur Sonntagsreden zu halten, sondern Aktivitäten zu entfalten.«
Wie dringend der Handlungsbedarf ist, zeigte sich, als Lehrer von antisemitischen Vorfällen und der Situation in den Schulen erzählten, von judenfeindlichen Vorkommnissen in Klassenzimmern oder auf dem Schulweg. Gabriela Schlick-Bamberger, Religionslehrerin in Frankfurt, sagte: »Meine Schüler berichten immer wieder über Vorfälle auf Schulhöfen. Die meisten Schulleiter reagieren darauf sehr ungern, fürchten um den guten Ruf ihrer Schule. Auch Lehrer scheinen sehr hilflos. Man erkennt nicht, was Sache ist.«
führungen Kantor und Religionslehrer Benjamin Chait veranstaltet in Saarbrücken regelmäßig Führungen für nichtjüdische Schulklassen in der Synagoge. Er berichtete, dass die meisten Lehrkräfte und Schüler sehr interessiert seien. Aber es komme auch immer wieder vor, dass Kinder oder Jugendliche nicht mit dabei sind, weil ihnen die Eltern verboten haben, ein jüdisches Gotteshaus zu besuchen.
Geschildert wurde der Fall einer Lehrerin in einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen, die Schülern einen Judenwitz erzählt habe.
Die Dortmunder Religionslehrerin Rosa Rappoport schilderte den Fall einer Lehrerin in einer kleinen Stadt in Nordrhein-Westfalen, die Schülern einen Judenwitz erzählt habe. Bis auf ein Gespräch der Schulleitung mit der Lehrerin sei der Fall folgenlos geblieben. »So kann es nicht laufen, da stimmt etwas nicht«, bemängelte Rappoport.
Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter Michael Blume verwies darauf, dass in seinem Bundesland eine Meldepflicht für judenfeindliche Vorfälle an Schulen eingeführt wurde. Auch befürworte er die Einrichtung eines Fortbildungsinstituts für nichtjüdische Lehrerinnen und Lehrer. »Wir sind dran, aber das ist eine Aufgabe von Jahren. Da müssen wir Leidenschaft und Geduld zusammenbringen«, so Blume.
agenda Ähnlich äußerte sich Schleswig-Holsteins Wissenschaftsministerin Karin Prien, sie verwies auf den Bildungsföderalismus: »Wir werden also nicht von oben herab vorschreiben können, wie mit Antisemitismus umzugehen ist.« Gleichwohl sei sie bei aller Empörung über antisemitische Vorfälle und Tabubrüche, die in den letzten Jahren zunehmend zu erleben seien, sehr froh, »dass das Thema jetzt als Aufgabe der gesamten Gesellschaft auf der Agenda ist«.
In den letzten Jahren sei ein Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung jüdischen Lebens und der Bedrohung durch Antisemitismus eingetreten, unterstrich Felix Klein.
Der Bundesbeauftragte Felix Klein unterstrich, »dass in den letzten Jahren ein Paradigmenwechsel in der Wahrnehmung jüdischen Lebens und auch in der Wahrnehmung der Bedrohung durch Antisemitismus eingetreten ist«.
Der Direktor der Zentralwohlfahrtsstelle, Aron Schuster, fasste die Aufgaben zusammen, die sich seiner Meinung nach aus dem anderthalbstündigen Gespräch ergeben haben: »Wir brauchen verbesserte Lehrerausbildungen, eine bundesweite Meldepflicht antisemitischer Vorfälle und eine professionelle Beratung, wie Schulen mit dem Phänomen umgehen können.« Dafür seien Geld und politischer Druck vonnöten. Zudem wolle er den Beauftragten ans Herz legen, den Austausch mit den jüdischen Gemeinden und ihren Einrichtungen und Beschäftigten zu intensivieren.
Eine Aufforderung, der Felix Klein nachkommen will. Im Anschluss an die Diskussion sagte er der Jüdischen Allgemeinen: »Ich habe viel gelernt, Ideen und Anregungen bekommen.« Er habe nun vor, die Gespräche fortzusetzen. »Es ist mir sehr wichtig, die Realität vor Ort zu kennen, um mir ein Bild davon zu machen, was wichtig ist, und was ich in Berlin auf politischer Ebene adressieren kann.« ddk
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