Unter starken Sicherheitsvorkehrungen fand am vergangenen Sonntag in Stuttgart der Kongress des Jüdischen Nationalfonds Keren Kayemeth Leisrael e.V. (JNF-KKL) statt. Dan Shaham, Generalkonsul des Staates Israel und auf direktem Weg von der Sicherheitskonferenz aus München in die baden-württembergische Landeshauptstadt geeilt, sagte den über 1100 Teilnehmern im Kursaal Bad Cannstatt: »Hier wird Geschichte zwischen Israel und Deutschland gemacht.«
Und auch Efi Stenzler, Weltpräsident des JNF-KKL, kommentierte durchaus symbolhaft: »Draußen ist es kalt, aber hier drinnen sehr, sehr warm.« Im Jubiläumsjahr von 50 Jahren diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und Deutschland sei er »sehr glücklich«, dass es gerade aus Deutschland über 10.000 Unterstützer des JNF-KKL möglich machten, Umweltprojekte in der Wüste und Galiläa zu etablieren.
»Es ist nicht mehr so selbstverständlich, für Israel zu sein«, beschrieb Barbara Traub die allgemeine Situation nach den terroristischen Anschlägen in Paris und den Anti-Israel-Parolen in Deutschland. Und dennoch: »Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel kann man nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Baumblüte vergleichen. Am dürren Ast haben sich viele Blüten entwickelt«, sagte die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW) und Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Aufforstung 1901 auf dem 5. Zionistenkongress in Basel gegründet, ist der Jüdische Nationalfonds zum grünen Wegbereiter Israels geworden. Parks, Grünanlagen, Anpflanzungen auf der Arava-Senke und im Negev: Die Aufforstungsarbeiten des JNF-KKL kennen weltweit keine Parallele. Wo Pflanzen wachsen sollen, braucht es Wasser: Wasserreservoire wurden gebaut, Limane (Süßwasseroasen) angelegt, Wachtürme zum Schutz vor Sommerbränden gebaut, Feuerschneisen angelegt, Ödland für neue Ansiedlungen vorbereitet.
In einem sehr emotionalen Vortrag zog Doron Almog ein Fazit zur Sicherheit Israels. Nicht seine technologischen oder wirtschaftlichen Fähigkeiten seien die Ursache für die Stärke seines Landes. »Es ist der unbezwingbare Geist der Menschen«, betont der Generalmajor der Reserve. Almog sprach sehr berührend über das von ihm initiierte Wohltätigkeitsprojekt »Aleh Negev« mit der Dorfanlage Nachalat Eran. In ihr leben Menschen mit erheblichen Einschränkungen, Almogs Sohn Eran war der erste Bewohner. »›Aleh Negev‹ ist ein Leben wie in einem Paradies«, sagt Doron Almog. Der Erlös des Kongresses wird für einen Kräuter- und Duftgarten im Dorf verwendet.
Auch andere Vorträge zu politischen, kulturellen und religiösen Themen in verschiedenen Sälen waren bestens besucht. Im altehrwürdigen Kursaal Bad Cannstatt – einem Gebäudekomplex aus dem Anfang des 19. Jahrhunderts – drängten sich die Besucher an über 40 Informations- und Marktständen zu deutsch-israelischen Projekten. Bei der Vielfalt der Angebote (zu denen auch Hebräisch- und Tanzkurse gehörten) mussten die mehr als 1100 Teilnehmer Prioritäten setzen. Die Sitzplätze reichten nicht aus, als Michael Wolffsohn in seinem Vortrag die deutsch-israelischen Beziehungen »jenseits des Sonnenscheins« analysierte.
»Ich bedaure, dass der tiefe humanistische Kern in der israelischen Gesellschaft in der Wahrnehmung der Deutschen bisher weitgehend übersehen worden ist«, sagte der Historiker und bekam heftigen Beifall. Die aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zum Verhältnis von Deutschen und Israelis habe bestätigt: »Man versteht sich nicht«, so Wolffsohn.
unterstützer Hubert Schulte Kellinghaus sitzt in den vorderen Reihen und applaudiert. »Israel ist kein Staat, der hierzulande beliebt ist«, sagt Wolffsohn. Als Ursachen der Israel-Distanz hat der Historiker eine grundsätzlich andere Art der Weltsicht von Israelis und Deutschen ausgemacht. Beide Sichten und Gefühlswelten basierten auf den »Lehren der Geschichte«. Das »Nie wieder« der Überlebenden der Schoa bedeute »Nie wieder Opfer«. Das »Nie wieder« der Überlebenden der deutschen Kriegsgeneration bedeute »Nie wieder Täter«. Aus den jeweiligen Folgen dieser Überzeugungen ergäben sich Missverständnisse, so Wolffsohn.
Hubert Schulte Kellinghaus, aus Hagen in Westfalen angereist, unterstützt den JNF-KKL finanziell. »Israel ist die Speerspitze der europäischen Zivilisation im Nahen Osten«, sagt der Diplom-Kaufmann. Das, so ist er sicher, haben viele Menschen, auch Politiker, bisher übersehen oder übersehen wollen. »Alle Entwicklungen der letzten Zeit zeigen in dieselbe Richtung – die Aufweichung der Sanktionen gegenüber dem Iran, die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg zu Hamas, die Resolution des EU-Parlaments in Brüssel zur palästinensischen Staatlichkeit, der Ruf aus der Schweiz nach Ermittlungen gegen Israel wegen vermuteter Verletzungen der Genfer Konventionen«, sagt Schulte Kellinghaus.
Der Mann tut etwas: Er ist in jedem Jahr mindestens einmal in Israel, sein Ziel ist, dort Investoren für Start-ups zu gewinnen. Die Szenerie, die Wolffsohn für die Zukunft aufzeigt, stimmt den bekennenden Katholiken Schulte Kellinghaus nicht gerade optimistisch. »Der Anteil der muslimischen Bevölkerung in Westeuropa wächst, der Anteil der radikalen Gruppierungen ebenfalls, das Ergebnis der Analyse muss ihnen nicht gefallen, mir gefällt es auch nicht«, sagt Wolffsohn. Trotzdem – Hubert Schulte Kellinghaus bleibt dabei: »Mein Herz schlägt für Israel.«
Gesprächsrunden So fühlen an diesem Tag wohl die meisten der Kongressbesucher. Moshe Becker, Entertainer aus Israel, lockt mit seinem Unterhaltungsprogramm auch die Letzten aus der Reserve. Vor den Türen des großen Saals wird israelischer Wein probiert, schwirrt es vor lauter Gesprächen wie in einem Bienenkorb. Doch nicht nur Beni Bloch, Präsident des JNF-KKL Deutschland, erinnerte an die veränderte politische Situation in Deutschland.
»Keiner hat daran geglaubt, dass Hasstiraden gegen Juden wieder möglich sind«, sagt Bloch in einer Talkrunde. Jeder solle das ihm Mögliche dagegen tun. Denn »die jüdische deutsche Gemeinschaft ist Teil der weltweiten jüdischen Gemeinschaft«, so Bloch. Auf Nachfrage der Moderatorin Ilanit Spinner bemerkt Bloch: »Für die Zukunft wünsche ich mir von der Bevölkerung weniger Blauäugigkeit, eine weniger einseitige Berichterstattung der Medien über Israel, mehr Austausch von Deutschen und Israelis aus der Wirtschaft und Wissenschaft, so wie es beim Business Circle des JNK-KKL und dem Young-Professionals-Programm im ökologischen Bereich schon jetzt stattfindet.«
Sacha Stawski vom Verein »I like Israel« wünscht sich vor allem von der Politik nicht nur »wunderschöne Reden vor dem Brandenburger Tor«. Die Politik müsse nun »Klarheit schreiben«. Staatssekretär Gunther Adler war aus dem Bundesumweltministerium aus Berlin angereist und berichtete, dass er sich als Mitglied der deutsch-israelischen Gesellschaft für die Bauhaus-Sanierung in Tel Aviv einsetzt.
Die Wüste begrünen und neues Land für Ansiedlungen schaffen, das betrifft auch die Beduinen in Israel. Sie stellen 30 Prozent der Bevölkerung im Negev. Alean Al-Krenawi, erster nichtjüdischer Präsident einer israelischen Hochschule, berichtete in Stuttgart über gemeinsame Aktivitäten des KKL und der beduinischen Gemeinschaft. »Das traditionelle Wissen der Beduinen über die Negevwüste wird erfolgreich für die moderne landwirtschaftliche Entwicklung genutzt«, sagt Al-Krenawi. »Natürlich für Israel«, und dies in jeder Hinsicht. Harald Eckert, Netzwerker und Brückenbauer aus Deutschland, bekam beim Kongress vom JNF-KKL die Auszeichnung Goldener Olivenzweig verliehen.