Zu einem Seminar über jüdische Perspektiven auf das Sterben waren von Donnerstag bis Sonntag 60 Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Bielefeld gekommen. Die meisten von ihnen vertraten jüdische Gemeinden. Eingeladen hatten das Klinikum Bielefeld, die Allgemeine Rabbinerkonferenz, die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland und die Jüdische Kultusgemeinde Bielefeld.
Zum ersten Mal hatten Rabbiner, Ärzte, Pflegekräfte und Ehrenamtliche in der jüdischen Sozialarbeit Gelegenheit, sich in Quellen zu vertiefen und darüber auszutauschen, wie aus der jüdischen Tradition heraus die Würde des Menschen zu verstehen und zu wahren sei, vor allem, ob und in welcher Weise der Sterbeprozess beeinflusst werden dürfe. Neun Rabbinerinnen und Rabbiner der liberalen und konservativen Richtung im Judentum nahmen an dieser Veranstaltung teil, außerdem nichtjüdische Ärzte und Mitarbeiter von Palliativstationen.
Anregung Die Anregung zu dem dreitägigen Symposium ging von dem Bielefelder Arzt Stephan Probst aus. Er ist Leitender Oberarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin am Klinikum Bielefeld und zudem stellvertretender Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde Bielefeld.
Gemeinsam mit dem Münchner liberalen Rabbiner Tom Kucera, einem promovierten Biochemiker, erarbeitete er zur Vorbereitung der Diskussion eine 260 Seiten starke Textsammlung. Darin waren zum Prozess des Sterbens, dem »Go-sess«, wie diese Phase in rabbinischen Quellen genannt wird, medizinische, halachische, ethische, philosophische und literarische Texte zusammengestellt.
Recht Auf dem dreitätigen Symposium wurden auch rechtliche Aspekte behandelt, etwa Patientenverfügungen, die eine künstliche Lebensverlängerung ohne Aussicht auf Genesung ausschließen. Die Teilnehmer sprachen über Erfahrungen mit Sterbenden in der Seelsorge und diskutierten ausführlich das Für und Wider eines assistierten Suizids.
Dass es für die Selbsttötung von Todkranken in den rabbinischen Quellen wenig Unterstützung gibt, war unstrittig. Da es aber sowohl im Talmud als auch in der nachbiblischen jüdischen Geschichte Beispiele für akzeptierte Selbsttötungen gibt, kamen die Rabbiner zu dem Schluss, dass sie nicht generell verurteilt werden dürften und die Halacha entsprechend angepasst werden müsse.
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