»Fünf, sechs, sieben, acht.« Für Zvi Bebera, Leiter des Jugendzentrums Amichai in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, erreicht in diesen Tagen der Begriff »Multitasking« ganz neue Dimensionen. Eben noch hat er im Trainingsraum bei den Proben für die Jewrovision 2019 die Teilnehmer motiviert: »Fünf, sechs, sieben, acht.«
Wird das Jugenzentrum seinen Titel verteidigen können?
Immer wieder heißt es: alles auf Anfang, Ausgangsformation. Alle stellen sich gehorsam auf, und dann wird eine kurze Schrittfolge geprobt, bei der die Kinder und Jugendlichen rückwärts einander umrunden müssen, bis alle, möglichst exakt in derselben Tausendstelsekunde, wieder stillstehen. Aber an einer anderen Position. »Fünf, sechs, sieben, acht!«, und das Ganze geht von vorne los. Schließlich darf beim Auftritt auf der Bühne nichts schiefgehen, gilt es doch, den Sieg vom Vorjahr zu wiederholen. Da ist Zvi Bebera aber schon nicht mehr dabei.
Saba Vielmehr hat er inzwischen an seinem Schreibtisch im Büro Platz genommen, vor dem sich bereits eine längere Schlange gebildet hat. »Wie viele?«, fragt er nur und blickt sein Gegenüber freundlich an. »Eine Karte für Saba, Safta, und wer kommt noch aus deiner Familie?«, will er von dem Mädchen wissen, das als Nächstes an der Reihe ist. »Meine Eltern und mein kleiner Bruder. Der ist erst vier«, antwortet die Zehnjährige. »Müssen Vierjährige schon Eintritt bei der Jewrovision bezahlen?«
Immer wieder heißt es: alles auf Anfang, Ausgangsformation.
Zvi Bebera runzelt die Stirn. Auch solche Dinge müssen bedacht sein. »Wir wollten es für die Eltern und Angehörigen besonders leicht machen, an Tickets heranzukommen. Deshalb verkaufen wir sie auch hier im Jugendzentrum«, erläutert Lyell Baron. Die Studentin jobbt bei Amichai und ist so etwas wie die rechte Hand von Zvi Bebera. Denn der hat momentan wirklich alle Hände voll zu tun.
mini-Machane »Seit September sind wir total drin in der Jewrovision«, sagt Lyell. Denn Frankfurt spielt ja in diesem Jahr eine Doppelrolle: als Titelverteidiger und als Gastgeber der Jewrovision. »Der Zentralrat organisiert das meiste bei diesem Mega-Event«, erläutert die angehende Wirtschaftspsychologin. »Aber wir als Frankfurter Gemeinde wollen ihn dabei unterstützen, so gut es geht.«
Zum Mini-Machane, das zwei Tage vor dem eigentlichen Contest beginnt, werden rund 1300 Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland in Frankfurt erwartet. Um sie unterzubringen, wurden zwei Hotels in der Stadt komplett gebucht.
Am Freitagabend soll eine gemeinsame Schabbatfeier stattfinden. Wo genau, das wird nicht verraten. Nur so viel: Es ist ein Ort, wie man sich keinen schöneren für diesen Anlass vorstellen kann.
Das Besondere in diesem Jahr: Nach der Schabbatfeier lädt die Jüdische Gemeinde Frankfurt die Eltern und Geschwister aller Teilnehmer zu einem Abendessen ein. Die jungen Tänzer selbst versammeln sich unterdessen an anderer Stelle. »Und für den Schabbat selbst bieten wir dann vier verschiedene Gebete in der Synagoge an, an denen jeder nach eigener Wahl und Entscheidung mitmachen kann«, berichtet Zvi Bebera.
Am Freitagabend soll eine gemeinsame Schabbatfeier stattfinden.
»Amichai olé!« heißt es derweil im Jugendzentrum. Wieder sind Proben angesagt. »Die trainieren seit Oktober«, erzählt Lyell. »Die«, das sind die 50 Kinder und Jugendlichen zwischen zehn und 19 Jahren, die beim Casting ausgewählt wurden. Für fast alle ist der Contest schon beinahe Routine, denn die meisten gehörten bereits im vergangenen Jahr der Siegesformation an. »Wir geben aber auch Jungen und Mädchen eine Chance, die sich hier im Jugendzentrum sehr engagieren oder bei denen wir ein großes tänzerisches Potenzial vermuten«, sagt Zvi Bebera.
Video Eines jedenfalls steht fest: Alle sind wild entschlossen, erneut den ersten Platz zu erobern. »Die Leute in den anderen Gemeinden glauben, bei ihnen sei die beste Stimmung. Aber Frankfurt ist und bleibt Frankfurt!«, ruft einer aus dem Trainer-Team. Selbstbewusst sind sie, die Titelverteidiger. Die Madrichim haben an diesem Tag bereits ein Video gedreht, das zur Eröffnung des Contest als musikalisch-witzige Begrüßung gezeigt werden wird.
Im »Amichai« gehen die Proben weiter.
»400 Eintrittskarten haben wir alleine hier bei uns schon verkauft.« Immer wieder klopft es an die Tür von Zvi Beberas Büro, weil jemand noch Tickets benötigt, um bei diesem »wichtigen Ereignis im jüdischen Jahr«, wie der Präsident des Zentralrats, Josef Schuster, die Jewrovision nannte, dabei zu sein. Aber noch sind es ein paar Tage bis dahin. Im »Amichai« gehen die Proben weiter. »Vor dem 2. Februar trainieren wir dann jeden Tag zwei Stunden«, sagt Bebera. »Und am Abend vor dem Mini-Machane findet zum Abschluss die Generalprobe statt.«
Netta Ob sie wohl auch so hart für ihren Auftritt in der Frankfurter Festhalle probt? Sie, also Netta? Denn die Eurovision-Gewinnerin wird auch am 2. Februar in Frankfurt auf der Bühne stehen: als Special Act. Die 24-jährige Israelin hatte 2018 mit ihrem Song »Toy« den Eurovision Song Contest gewonnen. Möglich wurde ihr Engagement durch die Unterstützung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, die einen Großteil der Gage sponsert. Unterstützt wird die Jewrovision auch von der Genesis Philanthropy Group. Fünf, sechs, sieben, acht: Der Countdown zum größten jüdischen Gesangs- und Tanzwettbewerb Deutschlands und Europas läuft.