Die Unwetterkatastrophe im Westen Deutschlands hat in verschiedenen Ausmaßen auch die jüdischen Gemeinden vor Ort getroffen. In Nordrhein-Westfalen blieb die Lage in den Überschwemmungsgebieten am Freitag ebenso angespannt wie im benachbarten Rheinland-Pfalz.
Im Wuppertaler Stadtteil Barmen, in dem die Jüdische Kultusgemeinde ansässig ist, war am Donnerstag der Strom ausgefallen. Festnetztelefone und Internet seien nicht nutzbar, sagte Gemeindevorsitzender Leonid Goldberg der Jüdischen Allgemeinen. Der Morgengottesdienst in der Synagoge war am Donnerstag ausgefallen. In Wuppertal sei die Situation je nach Ort ganz schlimm, beklagte Goldberg.
gottesdienst »Der Kabbalat-Schabbat-Gottesdienst wird heute auf jeden Fall stattfinden«, betonte der Wuppertaler Gemeindevorsitzende am Freitag. Man habe wieder Strom. »Wie viele Gemeindemitglieder kommen, weiß ich nicht. Wir müssen uns überraschen lassen«, so Goldberg weiter.
Die Gemeinde sei zwar zugänglich, einige Straßen seien aber weiterhin überflutet. Zudem fahren in Wuppertal laut Goldberg weder die Stadtbusse noch die Schwebebahn.
Am Mittwoch war in der nordrhein-westfälischen Großstadt extrem viel Regen gefallen: Wie die Stadt Wuppertal auf Twitter schrieb, entsprach die Menge des Wassers nach Angaben des Wupperverbandes einem Zehntel des durchschnittlichen Jahresniederschlages.
Viele Institutionen in Wuppertal seien aufgrund der Unwetterfolgen am Donnerstag nicht zu erreichen, schrieb die Stadt.
Dramatische Berichte kamen aus Erftstadt: In Erftstadt-Blessem sei eine Reihe von Häusern ganz oder teilweise eingestürzt, teilte die Bezirksregierung Köln am Freitagmorgen mit. Ursache seien massive und schnell fortschreitende Unterspülungen der Häuser.
In Nordrhein-Westfalen bleibt die Lage äußerst angespannt.
Die Ruhrgebietsstadt Hagen mit rund 180.000 Einwohnern war nach den heftigen Regenfällen in der Nacht zum Mittwoch von Überflutungen besonders schwer betroffen. Ein Altenheim musste evakuiert werden. Stadtteile waren zeitweise von der Außenwelt abgeschnitten. Teilweise waren Autos von den Wassermassen fortgespült worden. Die Jüdische Gemeinde war am Donnerstag und am Freitag telefonisch nicht erreichbar.
wassereinbruch »Insgesamt sind wir glimpflich davongekommen«, sagt Jonathan Walter, Co-Direktor der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Bisher hätten sich keine Gemeindemitglieder an die Gemeinde mit der Bitte um Hilfe gewandt. Walter berichtet allerdings: »Aufgrund der starken Regenfälle hat sich das Wasser den Weg ins Gemeindezentrum gebahnt. Im Heizungskeller hatten wir gestern einen etwas größeren Wassereinbruch mit einem zwischenzeitlichen Wasserstand von etwa 30 bis 35 Zentimeter. Wir haben gestern Nacht angefangen, das Wasser abzupumpen, mittlerweile ist der Keller wieder trocken«, so Walter.
Am Mittwoch sei in einen Gruppenraum der Gemeinde-Kita Wasser eingedrungen, sodass der Raum getrocknet werden musste. »Die Kinder können heute wieder normal betreut werden«, betont Walter. »Die Synagoge ist im Erdgeschoss, da tropft es etwas in den Keller. Aber das beeinträchtigt den Gottesdienst nicht. Er kann nach wie vor unter den aktuellen regulären Corona-Bedingungen stattfinden«, berichtet er. »Der Gemeindebetrieb läuft größtenteils uneingeschränkt«, resümiert der Co-Direktor der Düsseldorfer Gemeinde.
OPFER In Nordrhein-Westfalen bleibt die Lage angespannt. Die Rettungskräfte setzen unterdessen die Suche nach Vermissten fort. Die Bundeswehr hat zur Unterstützung inzwischen rund 900 Soldaten in die Katastrophengebiete in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geschickt. Bis Freitagmittag wurden 103 Tote als Folge der Überschwemmungen gezählt. In Rheinland-Pfalz kamen nach offiziellen Angaben mindestens 60 Menschen ums Leben, in Nordrhein-Westfalen waren es 43. Hunderte werden vermisst.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Freitag den Betroffenen der Unwetter und den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus. Die Tragödie mache ihn fassungslos. »Viele Menschen haben verloren, was sie sich ihre ganzes Leben lang aufgebaut haben«, sagte Steinmeier. Viele Menschen in Deutschland fühlten mit jenen, die um ihre Angehörigen trauern. »Ihr Schicksal trifft mich ins Herz.«
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Freitag den Betroffenen der Unwetter und den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus.
Er dankte den Helfern in den Katastrophengebieten und kündigte an, sich zu gegebener Zeit ein Bild von der Lage vor Ort zu machen. In diesen Tagen und Stunden gehe es um Solidarität mit jenen Menschen, denen die Flut alles genommen hat. »In der Stunde der Not steht unser Land zusammen«, sagte das Staatsoberhaupt.
MITGEFÜHL »Unser Mitgefühl und unsere Gedanken sind bei den Familien, die ihre Angehörigen und ihr Zuhause in dieser schlimmen Katastrophe verloren haben«, erklärte der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD) am Freitag in München. Den Rettungskräften gelte »Dank und volle Solidarität bei ihrer schwierigen Aufgabe, die hoffentlich auch unsere Gesellschaft wieder ein Stück mehr zusammenrücken lässt«.
Als Zeichen der Anteilnahme für die Opfer des Hochwassers hat der nordrhein-westfälische Landtag am Freitag ein Gedenkbuch ausgelegt. »Die Unwetterkatastrophe hat viele Menschenleben gefordert«, sagte Landtagspräsident André Kuper laut Mitteilung. Es sei zu befürchten, dass die Zahl der Opfer weiter steige. »Es sind dramatische Bilder, die uns alle bewegen.« Das Gedenkbuch liegt ab sofort im »Raum der Stille« des Landtagsgebäudes aus. Für den Zutritt benötigen die Bürger ihren Personalausweis. Das Gedenkbuch liegt täglich in der Zeit zwischen 8 und 17 Uhr aus. dpa/epd/ja