Porträt der Woche

Die nächste Generation

Romina Malinski schreibt Lieder und singt. Sie kennt die Jewrovison von Anfang an

von Christine Schmitt  01.02.2016 18:15 Uhr

»Wenn unser Kind einmal groß ist, soll es auch an der Jewrovision teilnehmen«: Romina Malinski (30) aus Berlin Foto: Stephan Pramme

Romina Malinski schreibt Lieder und singt. Sie kennt die Jewrovison von Anfang an

von Christine Schmitt  01.02.2016 18:15 Uhr

Ich bin unglaublich traurig, dass ich in diesem Jahr nicht bei der Jewrovision dabei sein kann – es ist das allererste Mal. Aber da ich hochschwanger bin und sozusagen die nächste Generation dabei ist, auf die Welt zu kommen, muss ich auf die lange Zugfahrt von Berlin nach Mannheim leider verzichten. Deshalb hoffe ich, dass ich eine Live-Schaltung nach Hause zu mir aufs Sofa bekommen kann.

An meinen ersten Auftritt bei der Jewrovision erinnere ich mich noch haargenau. Damals hieß das Event noch gar nicht so – diesen Titel haben wir uns in einem kleinen Grüppchen erst später ausgedacht und wussten damals gar nicht, dass er sich so durchsetzen würde. Ich war damals 14 Jahre alt. Mit Marat und Shelly – heute sind sie miteinander verheiratet – und Diana fuhren außer mir ein paar weitere Kinder aus dem Berliner Jugendzentrum Olam nach Bad Sobernheim, nachdem wir den kleinen, aber feinen Berliner Vorentscheid gewonnen hatten. Ich war die Frontfrau, die drei anderen die Backgroundsänger.

Während der Zugfahrt dämmerte uns jedoch, dass die anderen Teams sich eine »richtige« Choreografie ausgedacht haben könnten, manche sogar mit Orchester nach »Sobi« fuhren. Also suchten wir rasch noch ein paar Freunde, die mit von der Partie sein könnten, und konnten zwei wunderbare Mädels dafür gewinnen. Auf dem Frankfurter Bahnsteig studierten wir auf die Schnelle noch eine komplett neue Schrittfolge ein.

Als wir Bad Sobernheim erreichten, bekam ich Fieber. Gefühlte 41 Grad. Ich musste mich sofort ins Bett legen, während immer jemand zu mir in mein Zimmer kam, um mir Tee einzuflößen. Nach Schabbatende am Samstagabend war dann Soundcheck – zum ersten Mal bewegte ich mich auf diesem Mini-Machane aus dem Bett. Und dann am Abend kam unser Auftritt zum »Shoop Shoop Song« von Cher. Es waren damals ja nur sechs Jugendzentren dabei. Und als die anderen sangen, saßen wir auf dem Fußboden und hörten zu. Wir holten uns einen stolzen dritten Platz.

gemeinde Ich singe, seit ich denken kann. Mein Vater ist ebenfalls Sänger und außerdem auch noch Pianist und Gitarrist. Zu Hause hatte ich ständig mein Ohr an seiner Musik, wenn er gespielt hat. Zusätzlich erhielt ich acht Jahre lang Klavierunterricht – doch dann wollte ich eines Tages nicht mehr und setzte mich tatsächlich damit durch. Heute bereue ich es und wünsche mir oft, besser spielen zu können, denn mittlerweile kann ich mich nur noch mit Akkorden am Klavier begleiten.

In meiner Generation sind wir damals alle regelmäßig in die Gemeinde gegangen. Jeder tanzte bei dem Ensemble »Gita« mit, und gefühlt einmal im Monat gab es einen Auftritt im Gemeindehaus. Später schloss ich mich dann noch dem Ensemble »Bim Bam« an, wo mir das Singen und Tanzen immer Spaß bereitet hat. Mit 14 Jahren fuhr ich zum ersten Mal auf Machane nach Natz, und danach zog es mich ins Jugendzentrum, wo ich viel Spaß hatte. Später wurde ich auch Madricha. Viel Selbstbewusstsein habe ich dort erhalten. Mit 18 Jahren fuhr ich das letzte Mal auf Machane. Ab dann ist man als Teilnehmer ja zu alt.

musikwettbewerb Aber bei der Jewrovision habe ich immer mitgemacht – wenn auch mit verschiedenen Aufgaben. Als der Wettbewerb zum zweiten Mal in Bad Sobernheim stattfand, hatte ich den Text zu einem langsamen Lied geschrieben, zu der Figur der Belle aus dem Musical Der Glöckner von Notre Dame. Drei Sänger haben es aufgeführt, während ich sie, zusammen mit einem Gitarristen, am Klavier begleitet habe. Und auch bei den nächsten Malen habe ich die Texte für die Berliner Songs verfasst. Schließlich gewann Berlin bei der vierten Jewrovision die Show, und somit musste »mein« Jugendzentrum den Wettbewerb ausrichten: Im Gemeindesaal in der Fasanenstraße wurde die Bühne hergerichtet, aber der Saal war schon fast zu klein für die Veranstaltung.

Wir eröffneten die Show damals mit einer umgetexteten Version des Liedes »Schnappi, das Krokodil« – damals ein Hit. Es war alles geheim, ich setzte eine Maske auf, stieg in einen grünen Jogginganzug und steckte meine Füße in passende Sneakers. Mit hoher, künstlicher Stimme sang ich das Lied nach und hoffte, unentdeckt zu bleiben, bis ein Junge rief: »Das ist doch Romina!« Der hatte mich doch tatsächlich an meinen Schuhen erkannt. Heute muss ich über diese Performance lachen. Wir hatten damals einfach Spaß an der Sache und haben Jahr für Jahr vieles ausprobiert. Das vermisse ich heute etwas – es ist alles viel größer geworden, und der Konkurrenzkampf steigt von Mal zu Mal.

Über die Jahre habe ich auch für Köln, München und andere Jugendzentren die Lieder geschrieben und finde es wunderbar, danach die Performance dazu zu sehen. Den Kids, die ich coache, sage ich gerne, dass sie den Auftritt auf jeden Fall genießen sollen.

coaching In den vergangenen zwei Jahren habe ich das Jugendzentrum Hannover gecoacht, dessen Team sogar den zweiten Platz erreichen konnte. Als ich zum ersten Mal dorthin kam, haben die Jugendlichen mich gesiezt. Da habe ich gemerkt, dass ich nun der »old generation« angehöre. Damit mussten sie natürlich gleich wieder aufhören und mich unbedingt duzen!

Meine Eltern waren bereits Jahre vor meiner Geburt aus der ehemaligen Sowjetunion nach Berlin gekommen. Als Kind besuchte ich den Gemeindekindergarten in der Delbrückstraße und später dann die Grundschule und ein Gymnasium im Kiez. Doch die Oberstufe wollte ich lieber am Jüdischen Gymnasium in Mitte machen, denn ich mochte die Stimmung an meiner Schule nicht mehr, und mir kam alles sehr veraltet vor. Am Jüdischen Gymnasium gefiel mir die familiäre Atmosphäre sehr gut. Mein Abitur habe ich dann dort gemacht. Da ich immer so gerne geschrieben habe, entschied ich mich schließlich für den Studiengang Modejournalismus, den ich an der Akademie für Mode und Design absolvieren konnte. Dort lernte ich viel über Journalismus, PR und Boulevard-Schreibe.

Ich mag lieber lockeres, lustiges Schreiben. Bei RTL Exclusiv in Köln und bei der Brigitte Young Miss in Hamburg absolvierte ich meine Praktika. Schließlich zog es mich aber zurück nach Berlin-Wilmersdorf – ich bin einfach ein Kudamm-Kind und gerne in der Nähe meiner Familie.

Videoclips Heute verdiene ich mein Geld mit personalisierten Überraschungen. Beispielsweise möchte jemand seinem Vater ein Lied mit persönlichem Text zum Geburtstag schenken, dann arbeite ich das für ihn aus und schreibe die Lyrics. Oder ich entwickle Ideen für Videoclips, die ich dann auch drehe und schneide. Manche Leute möchten auch zu besonderen Anlässe ein Intro-Video, wofür ich mir dann die Dramaturgie ausdenke. Ich habe schon für alle möglichen Leute solche Clips gestaltet, natürlich auch viele für meine Freunde. Zu unserer Hochzeit vor einem Jahr kamen von unseren Freunden dann so viele schöne Sachen zurück.

Seit zweieinhalb Jahren sind Wladi und ich nun zusammen. Gemeinsame Freunde haben dafür gesorgt, dass wir uns immer wieder sahen – so lange, bis es gefunkt hat. Ein Jahr später waren wir verlobt.

Jetzt im Februar, quasi parallel zur Jewrovision, feiern wir unseren ersten Hochzeitstag. Vor einem Jahr habe ich meinen Geburtsnamen Sizerman abgelegt. Und dann kommt bald auch schon unser Baby auf die Welt. Ganz klar, dass unser Kind auch an der Jewrovision teilnehmen wird, wenn es einmal groß ist.

Im nächsten Jahr werden wir auf jeden Fall gemeinsam dabei sein, als Familie – dann in zwei Generationen, »old and new«.

Aufgezeichnet von Christine Schmitt

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