Eldad Beck ist glücklich darüber, dass es heute der teure Schokoladenpudding ist, wegen dem manche junge Menschen Israel verlassen. Denn als der Europakorrespondent der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronoth selbst jugendlich war, gab es in den einheimischen Supermärkten zwischen Jordan und Mittelmeer überhaupt nur zwei Sorten Joghurt zu kaufen: einen roten und einen gelben. Das zeige doch, wie erfolgreich sich das Land in den letzten Jahrzenten entwickelt habe. »Es geht uns gut! Optimismus ist eine jüdische Krankheit«, sagt der Journalist, nicht ohne dabei ein wenig zu lächeln.
Mit dem wechselseitigen Verhältnis zwischen den jüdischen Gemeinden in Europa und Israel und ihrer Bedeutung füreinander beschäftigte sich der Vortrag von Beck, der am vergangenen Donnerstag eine Konferenz in Berlin-Wilmersdorf eröffnete.
Unter dem Titel »Unsere Zukunft gestalten« lud die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) Jugendliche ein, ihre Vorstellungen über die Zukunft der jüdischen Gemeinden in Europa mitzuteilen. Im Gemeindehaus in der Fasanenstraße und in Räumen über der Synagoge in der Joachimstaler Straße arbeiteten sie vier Tage lang konzentriert und diskutierten lebhaft miteinander.
Fragen Von Frankfurt über Stuttgart bis nach Weiden in der Opferpfalz hatten sich knapp 40 Teilnehmer aufgemacht, um in Vorträgen und Workshops über Herausforderungen, Probleme und Chancen zu sprechen, die sie in Bezug auf jüdisches Leben in Europa für relevant halten.
Um jüdische Geschichte auch als einen Teil der europäischen Historie zu begreifen, wurden die Teilnehmer unter anderem auf eine Tour durch Berlin geladen. Für den 26-jährigen Levan Geleishvili aus Stuttgart war es vor allem beeindruckend, wie präsent jüdische Orte in der Berliner Stadtmitte sind. Besonders das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas habe ihn sehr berührt: »Von außen sieht es noch ganz weit und offen aus, doch sobald man ein wenig zwischen die Steinblöcke läuft, bekommt man sofort ein Gefühl dafür, wie eng es für die Menschen damals plötzlich wurde«, berichtete der junge Schwabe.
ZWST-Direktor Beni Bloch wies zu Beginn noch einmal darauf hin, wie wichtig Jugendarbeit ist, um das Überleben der Gemeinden zu sichern. Mit Blick auf die Beziehung zwischen den Generationen sagte er: »Wir müssen uns mehr anstrengen, Kontakt zu euch herzustellen, ansonsten werden wir euch verlieren.« Es sei wichtig, zu erfahren, was die Jugend will, um dann entsprechend handeln zu können, so Bloch weiter. Die Konferenz war nur eine Veranstaltung aus einer ganzen Reihe, mit der die ZWST der jüngeren Generation ermöglichen will, sich stärker in das gemeinsame Leben einzubringen.
Auswanderung Irina Kazakov erhoffte sich von ihrer Teilnahme, ein paar Antworten auf drängende Fragen zu bekommen. Die junge Düsseldorferin arbeitet in der westfälischen Landeshauptstadt im Jugendzentrum. Seit den massiven antiisraelischen Protesten im vergangenen Sommer ist zwischen ihr und den Kindern immer wieder das Thema der Auswanderung zur Sprache gekommen. »Für mich persönlich ist das keine Option, aber ich würde gerne wissen, was ich antworten kann, wenn ein Kind zu mir sagt: ›Ich habe Angst, dass wir ausreisen müssen‹«, erzählte Kazakov.
Die Palette der angebotenen Themen reichte von sozialem Engagement und Ehrenamtlichkeit über Fragen nach Toleranz und Ressentiments bis hin zum Verhältnis zwischen Juden in Europa und Israel. Interessante und provokative Fragen waren dabei explizit erwünscht.
Die Psychologin Marina Chernivsky etwa widmete sich dem Verhältnis von jüdischen Gemeinden und multiethnischer Gesellschaft. Sie versuchte, ihren Zuhörern eine kritische Haltung gegenüber verschiedenen Arten von Ressentiments und gesellschaftlich konstruierten Zugehörigkeiten zu vermitteln. So wie die jüdischen Gemeinden oftmals auf mangelnde Empathie bei antisemitischen Vorfällen stießen, sei es wichtig, sich auch vor Augen zu führen, dass auch andere rassistische Vorurteile unabhängig vom eigenen Erleben
existieren.
»Auch wir, wenn wir hier sitzen und lernen, nehmen andere in ihren Gruppen wahr und sind nicht immer in der Lage, uns von diesen ethnischen Sichtweisen zu lösen«, erklärte die Psychologin. Deshalb sei es wichtig, sich der eigenen Ressentiments ehrlich bewusst zu werden. Vor der Frage »Wie nehme ich andere wahr?«, stehe die Frage »Wie nehme ich mich selbst wahr?«.
Identität Die Suche nach der eigenen Identität spielte in allen Veranstaltungen eine übergeordnete Rolle. Für viele der Teilnehmer ergibt sich diese vor allem aus der eigenen Religion und dem Zugehörigkeitsgefühl zur jüdischen Gemeinschaft. Doch auch hier wurden erhebliche Unterschiede deutlich. Maximilian Feldmann aus Halle sprach vor allem das Problem der Integration von Vaterjuden an.
Als Sohn eines jüdischen Vaters ist es ihm in Israel leichter gefallen, von orthodoxen Juden akzeptiert zu werden, als das in Deutschland der Fall war. Auch in Hinblick auf den Nachwuchs in den Gemeinden sagte er: »Es kann nicht sein, dass den Leuten, die nicht halachisch sind, sich aber klar zum Judentum bekennen, dermaßen die Tür vor der Nase zugeschlagen wird.«
Der 30-jährige Oleg Ioffe stimmte ihm zu und sprach sich dafür aus, Streit in den Gemeinden beizulegen. Allerdings sollte man auch die Umwelt nicht vergessen und dort für Akzeptanz und Abbau von Ängsten werben: »Wir müssen der nichtjüdischen Bevölkerung erklären, wer wir sind: Wir sind Juden, wir leben hier. Wir sind nicht nur in den Büchern.«