Herr Dainow, am 8. September werden die Jüdischen Kulturwochen Hanau eröffnet. Was wird dabei im Mittelpunkt stehen?
Bei uns steht der lokale Bezug ganz stark im Vordergrund. Wichtig ist aber generell: Die Mischung macht es! Nicht immer nur nach hinten schauen, nicht ausschließlich nur nach vorn. Man soll wissen, woher man kommt und wohin man geht – das wollen wir bei den Kulturwochen verbinden.
Die Kulturwochen erstrecken sich in diesem Jahr über drei Monate. Von kurz vor den Hohen Feiertagen bis zu Chanukka. Warum dieser lange Zeitraum?
Bei unseren ersten Kulturwochen 2019 hatten wir ein Programm über acht Wochen. In diesem Jahr haben wir den Zeitraum bewusst länger gewählt. Wir möchten noch länger mit den Menschen in Kontakt kommen. So können sie erleben, wie zum Beispiel Sukkot gefeiert wird oder wie an Chanukka die Kerzen gezündet werden. Es soll für jeden etwas dabei sein, und das eben länger als nur eine Woche, in der man sich mal kurz mit dem Thema Judentum befasst.
Die Themenvielfalt bei den Kulturwochen ist groß: vom Dokumentarfilm über den australisch-deutschen Schriftsteller Walter Kaufmann bis hin zu einer Lesung von Dmitrij Kapitelman oder einem Vortrag über Bestattungsriten. Worauf freuen Sie sich?
Einen Favoriten zu benennen, wäre den einzelnen Veranstaltungen gegenüber wohl nicht gerecht. Aufgrund der jeweiligen Thematik bin ich auf den jüdischen Witz gespannt, auf den Vortrag zum Landjudentum und das Werkstattgespräch zum Golem. Und es gibt Ereignisse, bei denen auch einfach ein bisschen Glück mitgespielt hat: Am 20. September hält Rabbiner Andrew Steiman seinen Vortrag über Bestattungsriten. Wir werden am gleichen Tag den neuen jüdischen Friedhof einweihen. Das war ein kompletter Zufall, der aber wunderschön ist.
Ich bin auf den Vortrag zum Landjudentum und das Werkstattgespräch zum Golem gespannt.
Das Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« ist kürzlich nach eineinhalb Jahren zu Ende gegangen. Was haben Sie daraus für sich und die Gemeinde mitgenommen?
Das ist sehr ambivalent. Es hat keinerlei wirklichen Einfluss auf die Planung unserer Kulturwochen gehabt. Es gab viel Initiative von außen mitzugestalten, aber in einigen Bereichen hätte ich mir auch mehr Kooperation gewünscht.
Welche Bereiche wären das gewesen?
Was das Interreligiöse angeht, hätte ich mir manchmal schon etwas mehr erwartet. Es gab unter dem Hashtag »Beziehungsweise« ein Projekt im christlich-jüdischen Dialog. Man hätte dort mehr zusammenarbeiten können, gerade weil es viele Anknüpfungspunkte gibt, wie Sukkot oder das Erntedankfest. Das Projekt war gut, es gab auch einen Podcast dazu, aber dass es wirklich zusammen gelebt wurde, das hat mir – zumindest hier in der Region – etwas gefehlt.
Die Kulturwochen haben 2019 zum ersten Mal stattgefunden. Im vergangenen Jahr folgte das Festjahr. Hat sich nun der Diskurs um jüdisches Leben geändert?
Es gibt ein stärkeres Interesse am anderen. Man möchte noch mehr voneinander wissen und noch mehr kennenlernen. Von daher waren die ersten Kulturwochen und das Festjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« für Organisationen und Partner, die vorher nicht unbedingt aufeinander zugegangen sind, eine gute Möglichkeit, die Hand auszustrecken. Es findet mehr Interaktion statt. Wir haben das Onlineportal »Judentum digital« gelauncht, wir wirken noch mehr in die Gesellschaft hinein. Das Digitale ist zwar nicht mehr wegzudenken, aber das Zusammenkommen, das persönliche Gespräch ist immer noch enorm wichtig. Darauf freue ich mich.
Mit dem Geschäftsführer der Jüdischen Gemeinde zu Hanau sprach Katrin Richter.