Auf Einladung der Ärztekammer Nordrhein hat Zentralratspräsident Josef Schuster am Mittwoch in Düsseldorf mit einer Vorlesung an die Verfolgung jüdischer Ärztinnen und Ärzte im Nationalsozialismus erinnert. Schuster schlug einen Bogen in die heutige Zeit und warnte davor, Rechtspopulismus und Antisemitismus stillschweigend zuzusehen.
Schuster, selbst promovierter Mediziner, hielt die jährliche Jörg-Dietrich-Hoppe-Vorlesung zum Gedenken an den 2011 verstorbenen Präsidenten der Bundesärztekammer. Rund 300 Besucher hörten den etwa einstündigen Vortrag, den Schuster mit der Schilderung eines Falles begann: Er berichtete von Rudolf Fromm, einem Kinderarzt aus der Nähe von Saarbrücken, der im November 1938 ins KZ Dachau verschleppt wurde. Ein nichtjüdischer Kollege übernahm zwei Monate später Fromms Praxis. Dem Kinderarzt gelang nach Zahlung von mehr als 10.000 Reichsmark die Emigration nach New York, wo er neu begann. Der Mediziner eröffnete eine Praxis und starb 1941mit nur 52 Jahren in Folge hohen Blutdrucks.
BEISPIEL Für Schuster ein exemplarischer Fall, der zeige, wie die Nazis die Existenzgrundlage jüdischer Mediziner zerstörten. Etwa die Hälfte der rund 8000 damals in Deutschland lebenden jüdischen Ärzte, ging in die Emigration. Rund 2000 jüdische Ärzte wurden ermordet. Ihnen allen hatten die NS-Behörden im November 1938 die Approbation entzogen.
Während jüdische Ärzte verfolgt wurden, wurden einige nichtjüdische Ärzte zu Tätern. Schuster erinnerte an grausame Versuche, die es in dieser Dimension nie vorher gegeben habe. »Deutsche Mediziner haben in einem Ausmaß den Eid des Hippokrates gebrochen und sind schuldig geworden, dass es bis heute für die medizinische Zunft in Deutschland zutiefst beschämend ist.« Die Aufarbeitung habe allerdings erst begonnen, als fast keine Zeitzeugen mehr lebten.
VERANTWORTUNG Dass sich nun »die nachwachsenden Generationen ihrer Verantwortung bewusst sind und die Aufarbeitung wagen, kann gar nicht hoch genug geschätzt werden«, betonte Schuster. Er sprach sich für eine »moderne Gedenkkultur« aus. Als beispielhaft nannte er das Projekt »Stolpersteine«, weil man hier anhand von Einzelschicksalen viel über die Judenverfolgung lerne.
Gerade in der Bildungsarbeit gebe es noch viel zu tun, sagte Schuster, speziell mit Blick auf die Flüchtlinge, die nach 2015 gekommen sind. »Sie müssen verinnerlichen, dass die Menschenwürde universell gilt, auch für Juden«, sagte der Zentralratspräsident. Er schlug dabei vor, das Thema Antisemitismusprävention bei Integrationskursen zu unterrichten.