Einen Ball, seinen Fotoapparat und die Sportsachen hat sich Leon schon zurechtgelegt. Diese Sachen möchte er auf jeden Fall auf seine Reise nach Bad Kissingen mitnehmen. Es ist eine Vorauswahl, denn den Koffer richtig packen wird er mit seiner Mutter. Wanda Vronskia (Namen v. d. Red. geändert) begleitet ihren 40-jährigen Sohn auf der Fahrt für Familien mit psychisch kranken und geistig behinderten Menschen.
Wanda Vronskia sucht ihrerseits Leons Pullover und legt die Wäsche für ihn zusammen. Einige T-Shirts hat sie extra neu gekauft, damit er auch ansehnlich gekleidet ist, sagt die 68-Jährige. Leon ist Autist und gilt als schwerbehindert. Ausgelöst wurde seine Behinderung mutmaßlich durch eine Penicillin-Allergie. Nachdem er dieses Medikament eingenommen hatte, verfiel er in einen Schockzustand und ist seitdem beeinträchtigt.
Familienfreizeit In Bad Kissingen treffen Mutter und Sohn mit vielen anderen Familien zusammen, deren Angehörige beeinträchtigt sind und nicht allein in den Urlaub fahren können. Das Angebot kommt von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Bis zum 3. Juni wollen die beiden in Bad Kissingen bleiben.
»Ich freue mich auf die Gespräche mit anderen Eltern«, erzählt Wanda Vronskia. Leon hingegen liebt es, mit seiner Kamera alles zu fotografieren, was ihm vor die Linse kommt. Auf manchen Bildern sei kaum etwas zu sehen, andere fingen den Moment gekonnt ein, erzählt die Mutter. Und Fußball spielen möchte er, obwohl er sonst ein Einzelgänger sei – mit anderen dem Ball nachzujagen, gefalle ihm sehr. Auch beim Singen mache er lautstark mit, schaue regelmäßig ins Kunstatelier und unternehme gern Spaziergänge.
Wanda Vronskia kann sich währenddessen entspannen. Hier kümmern sich Betreuer um Leon, erklärt Pinchas Kranitz, einer der Verantwortlichen. So kann Mutter Wanda auch einmal ins Schwimmbad gehen und hat Zeit, in Ruhe mit den Psychotherapeuten zu sprechen.
Sozialrecht Auf dem Programm der ZWST-Reise stehen auch Informationsveranstaltungen über das Sozialrecht, das kürzlich im Hinblick auf Menschen mit Behinderungen geändert wurde. Es wird der Schabbat vorbereitet und gefeiert. Die rund 50 Teilnehmer können Ausflüge unternehmen und das jüdische Bad Kissingen entdecken oder an Gesprächen über Literatur und die aktuelle Lage in Israel teilnehmen.
Mittlerweile lebt Leon im betreuten Wohnheim der Frankfurter Gemeinde. Vor vier Jahren meldete ihn seine Mutter für diese neue Wohnform der Budge-Stiftung an. Seitdem hat ihr Sohn große Schritte in die Selbstständigkeit gemacht und kann allein mit dem Bus zur Behindertenwerkstatt fahren. Am Ende der Reise werden Mutter und Sohn wieder die Koffer packen und nach Hause fahren.