Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

Es war eine ungewöhnliche Umgebung, in der die Verleihung des Leo-Baeck-Preises am Mittwoch vergangener Woche stattfand: das Berliner Olympiastadion. Aber die Tatsache, dass die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden diesmal an den Fußballmanager Hans-Joachim Watzke ging, passte dann doch zum Veranstaltungsort.

Das Heimstadion von Hertha BSC ist dem Geschäftsführer des BVB Dortmund vertraut, auch, weil seine Mannschaft hier mehrfach, zuletzt 2021, das DFB-Pokalfinale gewann. Das liegt nun schon eine Weile zurück, derzeit läuft es für den Bundes­ligisten nicht ganz so rund, zumindest auswärts, was Watzke auch augenzwinkernd in seiner Rede erwähnte. Aber das ist ein anderes Thema.

Im Mittelpunkt nicht der Sport, sondern der gesellschaftliche Einsatz des Vereins

Denn an diesem Abend stand nicht der sportliche Erfolg, sondern der gesellschaftliche Einsatz des Vereins im Mittelpunkt. Watzke wurde »in Würdigung seines langjährigen und herausragenden Engagements für eine offene Gesellschaft und seinen Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland« geehrt, wie es in der
Preisurkunde heißt.

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats, würdigte das Engagement von Borussia Dortmund. Der zweitgrößte Sportverein Deutschlands zeige Empathie mit den Menschen in Israel und mit Jüdinnen und Juden in Deutschland, die seit über einem Jahr im Schatten des Massakers vom 7. Oktober 2023 lebten und auch hierzulande in vielen Bereichen nicht mehr sicher seien. Hans-Joachim Watzke stehe stellvertretend für diese Empathie.

Schuster betonte, dass der BVB schon lange Partner der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ist. So habe der Verein als erster Fußball-Bundesligist die IHRA-Antisemitismusdefinition übernommen. Dortmund habe Angehörige israelischer Terroropfer und Geiseln mehrmals im vergangenen Jahr nach Deutschland eingeladen. Der Verein organisiert seit zehn Jahren für Fans und Mitarbeiter Exkursionen zu KZ-Gedenkstätten. Und es besteht eine Partnerschaft mit der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.

»Immer mit dabei, stets besonnen, ruhig und im Stile eines wahren Kapitäns«

»Immer mit dabei, stets besonnen, ruhig und im Stile eines wahren Kapitäns ist Hans-Joachim Watzke. Er ist – auch wenn er das nicht gern hört – der intellektuelle Wegbereiter dieses Engagements«, erklärte der Zentralratspräsident. Schuster fügte hinzu, dass der Preis auch eine Anerkennung für die Mitarbeiter von Borussia Dortmund sei, die diese Haltung verkörperten und sich vehement gegen Antisemitismus einsetzten.

Die Laudatio auf den Preisträger hielt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst. Er betonte die Aufgabe und Pflicht, Antisemitismus mit aller Kraft zu bekämpfen. Der Sport und insbesondere der Fußball mit seinen Millionen Anhängern, vielen Tausend Aktiven und ehrenamtlich Engagierten könne hier ein Vorbild sein.

»Hans-Joachim Watzke hat diese Verantwortung früh erkannt und setzt sich mit hohem persönlichen Engagement gegen Antisemitismus und Ausgrenzung ein – ob mit großen Aktionen im Stadion oder von der Öffentlichkeit unbemerkt mit zahlreichen Aktivitäten im Hintergrund«, sagte Wüst. Seit vielen Jahren stehe der Preisträger glaubwürdig, klar und entschieden gegen Hass und Hetze ein und wirke mit seinem vorbildhaften Einsatz weit über die Fußballwelt hinaus. »Für Aki Watzke ist das nicht nur Chef-, sondern auch Herzenssache.«

Die Laudatio auf den Preisträger hielt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst.

In seiner Danksagung erklärte Hans-Joachim Watzke, dass »dieser Preis für mich die größte Ehre ist, die mir jemals widerfahren ist«. Er nehme die Auszeichnung auch stellvertretend für alle Mitarbeiter, Mitglieder und Aktionäre von Borussia Dortmund entgegen. »Denn die müssen das mittragen, sonst funktioniert das nicht. Und das ist in der Tat der Fall.«

Watzke verwies auf die Gefahren des zunehmenden Antisemitismus. Die Vorgänge rund um die antijüdische Gewalt gegen israelische Fußballfans in Amsterdam vor wenigen Tagen nannte er erschütternd. Er sei beschämt, dass Jüdinnen und Juden auch in Deutschland wieder Angst haben müssten, auf die Straße zu gehen.

»Fehlgeleitete Migrationspolitik«

Eine Ursache für diese Entwicklung sei eine »fehlgeleitete Migrationspolitik«, die dazu führe, »dass die rechten und linken Ränder stärker werden und sich dadurch unser Problem nochmal potenziert«. Es brauche nicht wohlfeile Worte, sondern »Mut und Zivilcourage«, sagte der 65-jährige Fußballmanager. Man müsse auch einmal deutlich aussprechen, wo sich »die politischen Rahmenbedingungen ändern müssen«.

An der Preisverleihung in der Jesse-Owens-Lounge des Berliner Olympiastadions nahmen zahlreiche Gäste aus Politik und Gesellschaft teil, darunter Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Israels Botschafter Ron Prosor. Unter den Gästen war auch Margot Friedländer. Für die Berliner Ehrenbürgerin, die vor wenigen Tagen ihren 103. Geburtstag feierte, hatte Watzke eine ganz besondere Überraschung: Er überreichte ihr ein schwarz-gelbes BVB-Trikot mit ihrem Namen und der Rückennummer 103.

Mit dem Leo-Baeck-Preis, der an Rabbiner Leo Baeck sel. A. erinnert, ehrt der Zentralrat der Juden seit 1957 Persönlichkeiten, die sich in herausragender Weise um die jüdische Gemeinschaft verdient gemacht haben. Präsident Josef Schuster sagte am Mittwochabend, der Zentralrat verleihe diesen Preis »als Zeichen für Zivilcourage und demokratisches Bürger­ethos im Geiste Leo Baecks, der allein mit seiner Existenz und natürlich mit seinem Wirken ein Sinnbild des Aufbäumens gegen Ungerechtigkeit und eine Kontrast­folie für Gleichgültigkeit gewesen ist«.

Preisträger Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Christian Wulff und Bundeskanzlerin Angela Merkel

Zu den Preisträgern gehören unter anderem die Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, Roman Herzog und Christian Wulff sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel. Zuletzt erhielt 2022 der Grünen-Politiker Cem Özdemir die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung.

Hans-Joachim Watzke kündigte an, sein Preisgeld zu gleichen Teilen an die Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit der Jüdischen Gemeinde Dortmund und an das Präventionsprojekt »Zusammen1« von Makkabi Deutschland zu spenden.

Am Ende seiner Danksagung wandte er sich noch einmal direkt an die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. »Ich möchte Ihnen persönlich zurufen: Wir machen weiter, und zwar mit voller Kraft. Und das ist ein Versprechen.«

München

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