Die Jüdische Gemeinde in Hamburg hat der Kritik am Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge widersprochen. Einige Historiker und Vertreter der Kunst- und Kulturszene hatten in einer Stellungnahme das Engagement, die jüdische Gemeinschaft und ein vielfältiges jüdisches Leben sichtbar zu stärken, zwar begrüßt.
Diskurs »Der historisierende Wiederaufbau der Großen Bornplatzsynagoge scheint uns dagegen aus vielen Gründen nicht der richtige Weg zu sein«, heißt es in dem Schreiben jedoch weiter. Sie forderten einen öffentlichen Diskurs über den originalen Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge. Dabei kritisierten sie nicht die Tatsache, dass die Bornplatzsynagoge wiederaufgebaut wird. Sie kritisieren vielmehr die Rekonstruktion des historischen Gebäudes.
»Das Projekt wird mit öffentlichem Geld finanziert, also muss es auch eine öffentliche Diskussion geben«, sagt beispielsweise Miriam Rürup, Historikerin, seit Dezember Direktorin des Moses Mendelssohn Zentrums für europäisch-jüdische Studien an der Universität Potsdam und zuvor acht Jahre Leiterin des Hamburger Instituts für die Geschichte der deutschen Juden.
Das Bodenmosaik der Künstlerin Margrit Kahl, das Deckengewölbe und Grundriss der ehemaligen Synagoge als Mahnmal nachzeichnet, wird kaum beachtet.
Hingegen meint Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky: »Die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Hamburg sind die Einzigen, die entscheiden können, was dort auf dem heutigen Joseph-Carlebach-Platz entsteht, weil sie die Bornplatzsynagoge 1906 eingeweiht haben«, äußert er. Hier wurde 1936 Joseph Carlebach, Hamburgs letzter Rabbiner vor der Schoa, in sein Amt eingeführt.
Gespräche »Mir ist wichtig, was die Hamburger Juden wünschen, gleich, ob sie in der Synagoge Hohe Weide beten oder unserer liberalen Reformsynagoge angehören«, betont Gemeindevorsitzender Philipp Stricharz. »Unsere Mitglieder haben trotz aller Widrigkeiten für die Stadt Hamburg eine aufblühende jüdische Gemeinde geschaffen. Wir werden die Bornplatzsynagoge wiederaufbauen, und zwar so, dass sich alle zu Hause fühlen. Die heutigen Hamburger, jüdisch oder nichtjüdisch, sagten nicht: ›Wo die Nazis keine Synagoge sehen wollten, soll der Platz leer bleiben‹«, so Stricharz, sondern: »Die Bornplatzsynagoge wurde der Jüdischen Gemeinde vom NS-Regime genommen, wir ermöglichen ihren Wiederaufbau!« Man werde mit allen, die den Wiederaufbau unterstützen, über das Wie sprechen, betont der Gemeindevorsitzende.
Das Bodenmosaik der Künstlerin Margrit Kahl, das Deckengewölbe und Grundriss der ehemaligen Synagoge als Mahnmal nachzeichnet, werde leider kaum beachtet. »Wir werden aber beim Wiederaufbau zeigen, dass es einen Bruch gab, und die Nazis die Bornplatzsynagoge in der Pogromnacht schändeten und in Brand steckten«, sagt Stricharz.
Wunde Ruben Herzberg, von 2007 bis 2011 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, formulierte seinen Traum vom Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge bereits 2010 zur 50-Jahr-Feier der Synagoge Hohe Weide. Heute sagt der pensionierte Schulleiter: »Eine neue Synagoge mit Gemeindezentrum, einem Saal für Veranstaltungen und einem Ort der Erinnerung: So wünsche ich mir die Rückkehr an unseren alten Ort, denn der leere Platz ist eine Wunde in unserem Leben. Ein originalgetreuer Wiederaufbau ist damit nicht vereinbar. Einen Bau in der Architektur des wilhelminischen Kaiserreichs erneut entstehen zu lassen, als hätte es die Pogromnacht und die Schoa nicht gegeben, hielte ich für verfehlt.«
Die Schriftstellerin Peggy Parnass hat die alte Bornplatzsynagoge noch erlebt: »Das Gebäude ist mir zu groß, zu üppig und zu kalt. Aber der Platz ist nicht schlecht. Ich wünsche mir eine kleine, kuschelige Synagoge, in der man sich zu Hause fühlen kann«, sagt die Schoa-Überlebende.
»Was war, ist gewesen, und wir sollten nichts wieder hinstellen, als sei es nicht zerstört worden«, meint Viola Roggenkamp, Schriftstellerin und Tochter von Schoa-Überlebenden.
Die Hamburgische Bürgerschaft hatte sich im Februar für den Neubau eines jüdischen Gotteshauses an der Stelle der 1906 eröffneten Bornplatzsynagoge ausgesprochen. Unterstützt wird das Projekt unter anderem von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) und Außenminister Heiko Maas (SPD). Und auch Daniel Sheffer, Gründer der Initiative »Nein zu Antisemitismus. Ja zur Bornplatzsynagoge«, deren Plakataktion am Montag startete, sagt: »Was die Frauenkirche für Dresden ist, kann die Bornplatzsynagoge für Hamburg werden. Zwar kann keine Synagoge den Antisemitismus bekämpfen, aber die Bornplatzsynagoge kann die Vergangenheit mit der Zukunft verbinden.«