Wannsee-Konferenz

»Die Erinnerung an die Schoa ist unumgänglich«

Online-Diskussion über Antisemitismus Foto: Screenshot


Hilft das Gedenken an die Schoa im Kampf gegen aktuellen Antisemitismus? Diese Frage stand im Zentrum einer Online-Veranstaltung in der Berliner Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in der vergangenen Woche. Anlass war der 79. Jahrestag der Wannsee-Konferenz am 20. Januar. Zu dem Vortrag mit anschließender Diskussion unter dem Titel »Antisemitismus und Shoah – Zwischen Historisierung und Gegenwartsbezug« hatte Gedenkstättenleiterin Deborah Hartmann ein hochkarätig besetztes Podium eingeladen.

Neben Michael Wildt, Historiker an der Berliner Humboldt-Universität, hatten sich die Leiterin des Kompetenzzentrums für Prävention und Empowerment/OFEK, Marina Chernivsky, und die Journalistin und Projektleiterin am Max-Mannheimer-Studienzentrum in Dachau, Eva Gruberová, dazugeschaltet. Der Ansprechpartner des Landes Berlin zu Antisemitismus, Samuel Salzborn, beteiligte sich mit einem Grußwort.

Vermittlung »Gedenkstätten wie das Haus der Wannsee-Konferenz befinden sich nicht in einem luftleeren Raum«, sagte Deborah Hartmann zur Einleitung. »Sie wollen und müssen Teil der gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung sein.« Die Frage, inwieweit Gedenkstätten neben der Vermittlung historischer Gegebenheiten auch aktuelle Erscheinungsformen von Juden- und Israelhass thematisieren können und sollten, sei vor diesem Hintergrund essenziell. »Es geht um den Beitrag, den die Gedenkstätten und die historisch-politische Bildungsarbeit leisten können, um unseren Blick für alltägliche Formen von Antisemitismus zu schärfen«, sagte Hartmann. Die 37 Jahre alte Politologin leitet das Haus der Wannsee-Konferenz seit dem 1. Dezember 2020.

Samuel Salzborn erläuterte, dass die Schoa und der Antisemitismus nationalsozialistischer Provenienz nach wie vor wichtige Referenzpunkte in der politischen Bildungsarbeit seien. »Die Grundlage aller heutigen Erscheinungsformen von Antisemitismus ist immer auch eine Nichtaufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit, die in Schuldabwehr und Täter-Opfer-Umkehr mündet«, sagte der Politologe. Das sei auch unterbewusst in politischen Milieus der Fall, die bei ihren antisemitischen Ressentiments keine aktive Referenz an die NS-Vergangenheit machten.

Bildungsarbeit Für Michael Wildt kommt der Bildungsarbeit von Gedenkstätten eine zentrale Funktion im Kampf gegen Antisemitismus zu. »Die Geschichte spielt eine wichtige Rolle«, sagte der Historiker in seinem Vortrag zum Thema »Volksgemeinschaft und Antisemitismus«. »Der Begriff der Volksgemeinschaft, wie er von den Nationalsozialisten zur Ausgrenzung von Juden und anderen Minderheiten verwendet wurde, findet sich bis heute im Vokabular rechtsextremer und neonazistischer Antisemiten«, betonte Wildt.

»Das historische Wissen allein immunisiert nicht gegen antisemitische Ressentiments.«

Eva Gruberová, Mitarbeiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau

Auch für Marina Chernivsky ist der Rückgriff auf die Vergangenheit ein entscheidendes Mittel in der pädagogischen Arbeit. »Die Vergangenheit ist beim Thema Antisemitismus ein ständiger Referenzpunkt«, sagte Chernivsky. Für die Schoa-Überlebenden und viele ihrer Nachkommen seien die historischen Ereignisse tief verankert.

Halle »Wenn es zu Anschlägen wie dem Attentat von Halle kommt, ist die Erinnerung an die Schoa unumgänglich.« Ihrer Ansicht nach bietet die Verbindung von historischem und aktuellem Antisemitismus eine Chance für die Bildungsarbeit, da sie die »emotionale und biografische Distanz junger Menschen« zur Schoa aufbreche.

Auf die Grenzen der Aufklärungsarbeit von Gedenkstätten ging Eva Gruberová ein. »Das historische Wissen allein immunisiert nicht gegen antisemitische Ressentiments«, sagte die langjährige Mitarbeiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau. Vielmehr komme es bei Gedenkstättenfahrten von Schulklassen auf die inhaltliche Nachbereitung an.

»Damit es nicht nur um das Auswendiglernen historischer Fakten geht, liegt es auch an den Lehrkräften, den Besuch eines originalen NS-Täterorts mit einem emotionalen Zugang zu verknüpfen.« Gruberová zufolge ist daher auch die Schule der wichtigste Ort im Kampf gegen den Antisemitismus.

Berlin

»Wir sind bitter enttäuscht«

Nach den höchst umstrittenen Wahlen in der Jüdischen Gemeinde zogen die Kritiker nun vor Gericht. Doch das fühlt sich nicht zuständig – und weist die Klage ab

von Mascha Malburg  15.01.2025

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025