Dresden

Die Babys von der Kiesgrube

Nur ein Grabstein verweist auf die Kinder. Foto: Karin Vogelsberg

Fast 200 Babys liegen entlang der sogenannten Selbstmördermauer auf dem Dresdner St.-Pauli-Friedhof unter der Erde: ein anonymes Massengrab für die Kinder der Zwangsarbeiterinnen, die während der NS-Zeit in Betrieben und in der Landwirtschaft in der Stadt und der weiteren Umgebung schuften mussten.

Die Künstlerin Annika Dube-Wnek stieß während ihrer Arbeit an einem »Denkzeichen« – Bild- und Texttafeln, die an Orten der Stadt aufgestellt werden, die mit der Judenverfolgung in der NS-Zeit in Zusammenhang stehen – auf das Schicksal der Kinder. Ein solches Denkzeichen wurde für den evangelischen Friedhof zum »Judenlager Hellerberg«, das sich in der Nähe befand, aufgestellt. Beim Anbringen der Tafel fragte der Friedhofsverwalter: »Wollen Sie nicht mal was für die Kinder machen?«

Bachelor-Arbeit Von da an ließ die verdrängte Geschichte die Dresdnerin nicht mehr los. Sie fahndete nach Unterlagen und schrieb ihre Bachelor-Arbeit zum Thema »Strukturelle Gewalt im nationalsozialistischen Gesellschaftssystem«. Die Namen der Kinder und die ihrer Mütter, ihre Nationalität, ihre Geburts- und Sterbedaten und sogar die Todesursachen sind bekannt. Das Standesamt Dresden-Klotzsche verzeichnet fein säuberlich die Geburt von 497 Babys im Lager Kiesgrube.

In der Nähe des Lagers gab es ein Kinderheim. Möglich, dass einige Babys dorthin kamen oder adoptiert wurden. Die Akten des Findelheims bleiben jedoch aus Datenschutzgründen verschlossen. Annika Dube-Wnek kann nachweisen, dass 238 Kinder starben, weil man sich nicht um sie kümmerte.

Grabanlage Gemeinsam mit dem Lokalhistoriker Jürgen Naumann will Dube-Wnek nun eine würdevolle Grabanlage gestalten. Nora Goldenbogen, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, begrüßt dieses Engagement: »Das ist eine richtig gute Sache.« Es sei positiv, dass neben der Jüdischen Gemeinde auch andere Initiatoren in Dresden an die Gräuel der NS-Zeit erinnern.

Rund 13 Millionen Zwangsarbeiter soll es insgesamt gegeben haben, darunter viele Frauen, die ein Kind erwarteten oder hier schwanger wurden. Die Kinder waren für das nationalsozialistische Deutschland unnützer Ballast, ein Kostenfaktor und eine Bedrohung für die »Reinheit der Rasse«.

München

»Das Gemeinsame betonen«

Die 38. Jüdischen Kulturtage zeigten ein vielfältiges Programm

von Luis Gruhler  15.01.2025

Berlin

»Wir sind bitter enttäuscht«

Nach den höchst umstrittenen Wahlen in der Jüdischen Gemeinde zogen die Kritiker nun vor Gericht. Doch das fühlt sich nicht zuständig – und weist die Klage ab

von Mascha Malburg  15.01.2025

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025