Mittweida in Sachsen, rund 20 Kilometer nördlich von Chemnitz gelegen, ist normalerweise kein Hotspot jüdischer Kunst. Doch das soll sich bald ändern: 2025, wenn Chemnitz europäische Kulturhauptstadt ist, soll sich auch im Umland etwas tun. Dafür sorgt der »Purple Path«, der 38 Gemeinden aus der Region verbindet und mit Kunstaktionen und -interventionen auf das Kulturhauptstadtjahr hinführt.
In diesem Rahmen wird in der Hochschule Mittweida nun jüdische Kunst in den Blick genommen. »Wir werden hier 2025 eine große Ausstellung haben, im Freien, mit 21 Containern, in denen unterschiedliche jüdische Künstler und Künstlerinnen Arbeiten zeigen werden«, sagt Purple-Path-Kurator Alexander Ochs. Arbeitstitel der Ausstellung: »Die dritte Generation. Diesmal bleibt der Koffer hier«.
ausstellung Und so haben sich vor Kurzem jüdische Kulturschaffende – unter ihnen der Fotograf Benyamin Reich, die Künstlerin Roey Victoria Heifetz, die Musikerin Noga Bruckstein und die Schriftsteller Dory Manor und Moshe Sakal – in Mittweida getroffen. Sie wollten die Ausstellung vorbereiten und unter anderem die Frage diskutieren, ob Deutschland für die dritte Generation eine Heimat sein oder werden kann.
Die Veranstaltung in Mittweida war in mancherlei Hinsicht eine doppelte Diaspora.
Fragt man Benyamin Reich, der in Israel geboren wurde und derzeit in Berlin lebt, was Heimat ist, zuckt er mit den Schultern: »Ich weiß nicht. Heimat ist ein Fragezeichen.« Nach kurzem Nachdenken fügt er hinzu: »Vielleicht ist das die jüdische Idee: immer mit dem Wanderstock in der Hand von einem Ort zum anderen zu gehen und immer die Gesellschaft ein bisschen von außen zu betrachten. Meiner Meinung nach ist das der stärkste Aspekt der jüdischen Identität: Die Diaspora ist die Heimat.«
Die Veranstaltung in Mittweida war in mancherlei Hinsicht eine doppelte Diaspora: Jüdische Kulturschaffende, die größtenteils aus Israel stammen und in Berlin leben, treffen sich in Mittweida, um dort weitgehend unter sich über Kunst, Heimat und Diaspora zu sprechen. Das Meeting war zwar öffentlich, lokales Publikum war aber kaum zu sehen.
kabbalat schabbat Am Freitagabend wurde dann – in Mittweida zum ersten Mal seit der Nazizeit, wie Kurator Alexander Ochs betonte – Kabbalat Schabbat im Städtischen Freizeitzentrum gefeiert. Mit dabei war Rabbiner Netanel Olhoeft.
Am Samstag gab es Performances von Shai Ottolenghi und Adi Liraz, außerdem wurde im Museum »Alte Pfarrhäuser« eine Ausstellung mit Fotografien von Benyamin Reich eröffnet, die dort noch bis Ende Oktober zu sehen sein wird – und hoffentlich auch von Menschen aus Mittweida besucht wird.