Die Bande zwischen Israel und Deutschland wurden konkret, als die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker von der lebendigen Städtepartnerschaft zwischen Köln und Tel Aviv berichtete. Gleichzeitig besteht seit 1996 eine Partnerschaft mit Bethlehem im Westjordanland, informierte Reker zum Schluss ihres Vortrags. Die besondere Rolle, die die Bundesrepublik Deutschland als Mittlerin in Nahost einnehmen könnte, wurde fast greifbar in diesem Moment des sechsten NRW-Israel-Forums am Montag in Bochum.
Der Diskurs im Rahmen der Reihe »Herausforderung Zukunft« von Initiator Sascha Hellen analysierte dann die aktuellen antisemitischen Tendenzen. Nach Grußworten unter anderem von Avraham Nir-Feldklein, Gesandter des Staates Israel, und einer Einführung zum Thema »Israel in den Medien« von Susanne Glass, ARD-Studioleiterin in Tel Aviv, diskutierten Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden, und Pater Nikodemus Schnabel über »eine modernisierte Form des Antisemitismus«.
Dieser verbreite sich über das Internet mit einer neuen Reichweite und in erschreckender Weise, berichteten die Diskutanten. »Es bereitet uns große Sorge, dass diese Äußerungen unter falschen Namen und in geschützten Räumen veröffentlicht werden. Kinder bewegen sich ab einem gewissen Alter selbstständig im Internet. Es wirkt meinungsbildend und wird für bare Münze genommen. Dem muss endlich ein Riegel vorgeschoben werden«, forderte Lehrer.
Hass Benediktinermönch Pater Nikodemus Schnabel, der seit 15 Jahren in Israel lebt, äußerte sich besorgt über den Hass, der ihm auch ganz persönlich im Netz entgegenschlage, wie er sagte. »Das sind Echoräume, die es vorher nicht gab.« Als Christ erlebe er den Hass von beiden Seiten. Eines der Benediktinerklöster in Tabgha war 2015 von jüdischen Extremisten angezündet worden. Im politischen Lager der AfD wiederum trete der Antisemitismus offen zutage. »Die AfD will die rituelle Beschneidung und das Schächten verbieten – das ist Antisemitismus«, so Schnabel.
Abraham Lehrer sprach gesellschaftliche Versäumnisse an, die er nicht näher benennen konnte. »Wir haben irgendetwas falsch gemacht, dass die Gesellschaft sich nicht wehren kann, sondern Teile von ihr diese Meinungen übernehmen. Damit müssen wir etwas machen, sonst wird es für uns alle noch unangenehmer«, sagte er.
Die zweite Diskussion, in der unter anderem auch Georg Röwekamp vom Deutschen Verein vom Heiligen Lande und Reinhold Robbe, bis 2015 Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, teilnahmen, widmete sich dem deutsch-israelischen Verhältnis. Yossi Beilin, ehemaliger israelischer Außenminister, schilderte die Besonderheit der Länderbeziehung, die er persönlich erlebt und die nachhaltig Eindruck bei ihm hinterlassen habe. »Die Einladungen nach Deutschland erfolgten systematisch, um einen Dialog herzustellen. Das Verhältnis, das sich daraus entwickelt hat, ist einzigartig«, so Beilin.
Israelbild Kerstin Müller von der Heinrich-Böll-Stiftung wartete dann mit Zahlen auf, die nicht ganz so rosig klangen. Eine Studie der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2015 zeigte ein unausgeglichenes Verhältnis zwischen Deutschen und Israelis. Während 68 Prozent der Israelis ein positives Bild von Deutschen hätten – bei den jüngeren seien es sogar fast 80 Prozent –, hätten 54 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 29 Jahren ein negatives Israel-Bild, schilderte Müller.
Besonders die israelische Regierung präge dieses Bild in Deutschland, so der Tenor der Studie. Der Jugendaustausch und interkulturelle Bildung erhielten durch diese Zahlen besondere Relevanz. Müller schilderte ein deutsch-israelisches Förderprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung und wies darauf hin, dass ein »Dialog auf Augenhöhe« der Schlüssel zu einer fruchtbaren Beziehung sein könne. Erst durch ein tieferes Verständnis des Gegenübers mithilfe langfristigerer, nachhaltiger Begegnungen sei auch ein positiver Einfluss der Deutschen auf die Lösung des Israel-Palästina-Konflikts denkbar, so Müller.