Das Dialogprojekt »Schalom Aleikum« des Zentralrats der Juden hat sich in der Online-Gesprächsrunde »Master of Dialogue« am Mittwoch vergangener Woche mit den Herausforderungen im Uni-Alltag von jüdischen und muslimischen Studierenden auseinandergesetzt. Moderiert wurde die Veranstaltung von Anna Staroselski, Präsidentin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD).
Zunächst wurde Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann der Runde zugeschaltet. Staroselski stellte ihn als ehemals selbst sehr engagierten Studenten vor, der unter anderem auch an der Gründung der JSUD beteiligt war, und fragte, worin er das Potenzial studentischen Engagements für die jüdische Gemeinschaft und die Gesellschaft im Allgemeinen sehe.
»Die Dabatten von heute an den Universitäten sind morgen in der gesamten Gesellschaft.«
Daniel Botmann
»An der Universität wird miteinander gelernt und diskutiert. Die Debatten von heute an den Universitäten sind morgen in der gesamten Gesellschaft«, antwortete Botmann. Es sei daher wichtig, sehr genau zu beobachten, welche Themen die Studenten beschäftigten, auch weil man aus Erfahrung sagen könne, dass sich erfolgreiche Menschen in Politik und Gesellschaft in der Regel schon als Studenten eingebracht haben.
Hochschulgruppen Auch die beiden Gesprächspartner sind engagiert: Bilal Torun hat als Student die erste muslimische Hochschulgruppe an der Universität Hildesheim gegründet, und das jüdische Pendant an der Universität Düsseldorf geht auf den Einsatz von Sana Kisilis zurück. Von beiden wollte Staroselski zunächst wissen, wieso sie eine Vertretung für studierende Muslime respektive Juden eingerichtet haben.
Es zeigte sich, dass Torun und Kisilis dasselbe antrieb: Als Angehörige einer Minderheit waren sie immer wieder Vorurteilen ausgesetzt und hatten das Bedürfnis, sich mit anderen Betroffenen zusammenzutun. »Antisemitismus und Rassismus gibt es überall in der Gesellschaft, und auch die Universität ist nicht frei davon«, erläuterte Torun.
Identität Im Verlauf des Gesprächs stießen die beiden Studenten immer wieder auf ähnliche Erfahrungen. Etwa der Widerspruch zwischen der Art und Weise, wie sie ihre Identität gerne ausleben möchten, und den pauschalisierenden Erwartungen, die die Mehrheitsgesellschaft an sie heranträgt.
Daneben zählen aber auch Diskriminierung und antisemitische wie rassistische Vorfälle zur Realität der Studierenden aus ihren Communitys. »Die Bewegung BDS fasst auch an deutschen Universitäten immer mehr Fuß und spricht mit ihrem Aufruf zum umfassenden Boykott Israels dem jüdischen Staat letztlich das Existenzrecht ab. Das ist blanker Antisemitismus, der sich auch in universitären Veranstaltungen kundtut«, empörte sich Kisilis.
»Das formale Verurteilen von Organisationen wie BDS ist wichtig, kann allein aber kein Problem bewältigen.«
Bilal Torun
Auf die Frage Staroselskis, wie sich Studierende gegen solche Vorfälle wehren können, antwortete Torun: »Das formale Verurteilen von Organisationen wie BDS ist wichtig, kann allein aber kein Problem bewältigen. Dafür braucht es Lösungen, die nicht immer nur am Einzelfall ansetzen, sondern strukturelle Antworten geben.« Er selbst setze sich derzeit für die Einrichtung einer dauerhaften Antidiskriminierungsstelle an seiner Uni ein.
Kisilis ergänzte, dass das Problem des Antisemitismus zwar nur mithilfe der Mehrheitsgesellschaft gelöst werden könne, den Juden selbst aber auch die wichtige Aufgabe des »Empowerment nach innen« zufalle. Für Anna Staroselski hat sich an diesem Abend gezeigt, wie viele Probleme es auf deutschen Campus noch gibt. »Aber«, sagte sie abschließend, »der Auftrag an uns alle ist, bei der Lösung dieser Probleme mit anzupacken«.