Berlin

Deutschland ganz nah

Stanley Weinberg ist die Ruhe selbst. Der 22-jährige New Yorker steht gelassen inmitten seiner Freunde und betreibt ein wenig Small Talk. Nur manchmal geht seine Hand in Richtung Jackett, um zu prüfen, ob sein Redemanuskript noch darin ist. Dabei hätte der junge Banker allen Grund, wenigstens ein bisschen Nerven zu zeigen, denn gleich muss er vor einer mittelgroßen Gruppe sprechen.

Stanley ist Teilnehmer des Programms Germany Close Up (GCU), das noch bis zum 17. Juni in Berlin stattfindet. Das Besondere: Er ist der 1.000. junge amerikanische Jude, der fast zwei Wochen in Deutschland bleiben wird. Zwei Gruppen, eine der Yeshiwa University in New York (YU) und eine der Studentenorganisation Hillel, sind in diesem Jahr in Berlin und haben ein vollgepacktes Programm vor sich. Sie sollen das heutige Deutschland kennenlernen, sehen, wie der Staat mit seiner Vergangenheit umgeht, und vor allem den Kontakt zu anderen jüdischen und nichtjüdischen Jugendlichen knüpfen.

Twentysomething Ernst Burgbacher (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, begrüßte die zwei Gruppen im Vestibül des Hauses und hofft, dass die Anfangzwanziger möglichst viele Seiten von Deutschland sehen werden. Wichtig sei ihm aber, dass die Vergangenheit keinesfalls verwischt werde.

Und dazu haben die jungen Menschen viele Fragen. Channa zum Beispiel. Die 20-jährige Studentin der Yeshiwa University will wissen, ob es in Berlin viel Antisemitismus gibt. Und ihre Freundin Mollie interessiert sich, wie es für Juden in der ehemaligen DDR war. Allen gemeinsam ist aber die hohe Emotionalität, die von Berlin ausgeht: »Diese Stadt ist fantastisch, aber dann sieht man gleichzeitig zum Beispiel einen Stolperstein oder Gräber, die an ermordete Juden erinnern. Das ist doch schon anstrengend«, sagt Rebecca, ebenfalls YU-Studentin. Spannend sei es für alle drei Frauen, Gleichaltrigen zu begegnen.

Fußball So schaute man am Samstagabend zusammen mit Jugendlichen von der Initiative »Jung und Jüdisch« das EM-Spiel Deutschland gegen Portugal. »Dort gab es viele spannende Diskussionen über Nationalität«, sagt Dagmar Pruin, Programmdirektorin von GCU. Viele Freundschaften könnten während dieser zehn Tage geschlossen werden, betont der Generalsekretär des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, in seiner Ansprache an die Jugendlichen. Er erinnerte bei allem Erfolg des Programms allerdings auch daran, dass die Begegnung vor wenigen Jahren fast vor dem Aus gestanden hätte.

Germany Close Up, das vom Transatlantic Programm unterstützt und finanziell aus dem European Recovery Program gefördert wird, wie Staatssekretär Burgbacher erklärte, wird vom Berliner Centrum Judaicum verwaltet und kann auf insgesamt 52 Besuchergruppen zurückblicken. »Damit ist das Kind schon mal auf den Beinen«, bringt es Dagmar Pruin auf den Punkt.

Stanley hingegen ist sich sicher, dass nach den 999 Teilnehmern, die vor ihm in Berlin waren, noch weit mehr als 999 folgen werden.

www.germanycloseup.de

Gemeinden

Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagt in München

Das oberste Entscheidungsgremium des jüdischen Dachverbands kommt traditionell einmal im Jahr zusammen – am letzten Sonntag im November

 23.11.2024

Porträt der Woche

Familie als Sujet

Elinor Sahm ist Israelin, Künstlerin, Mutter und lebt jetzt in Berlin

von Alicia Rust  23.11.2024

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024