»Wo genau wurde die Arbeitsleistung erbracht?«, »Wann genau endete die Beschäftigung im Ghetto?«, »Gab es Entscheidungsfreiheit bei der Wahl?«, »Hätte man auch Nein sagen können?«.
Auf die beißend formulierten Fragen der Richterin im schwarzen Talar kann der vorgeladene Zeuge – ein alter Mann mit Hut und Gehstock – keine Angaben machen. Mit russischem Akzent erwidert er: »Die Zeit war für uns nicht wichtig. Wir wussten ja nicht einmal, ob wir morgen noch am Leben sein werden.«
Dukumentation Die bedrückende Szene ist Teil des Theaterstücks Die Wiedergutmachung, das derzeit in der Werkstatt der Kulturen in Berlin-Neukölln aufgeführt wird. Thema der dokumentarischen Performance, wie die Regisseurin Monika Dobrowlanska ihren Ansatz nennt, ist der zähe juristische Kampf um die Zahlung sogenannter Ghetto-Renten.
Denn obwohl Tausende Schoa-Überlebende als Kinder von den Nationalsozialisten zur Zwangsarbeit in den Ghettos gezwungen wurden, haben bis heute nur wenige von ihnen Rentenzahlungen erhalten.
Die Ghetto-Zwangsarbeiter sollten einen Nachweis über ihre »erbrachte Arbeitsleistung« vorlegen.
Der Grund: Das überhaupt erst seit 1997 bestehende »Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigung in einem Ghetto« sieht insgesamt fünf Jahre Arbeitszeit vor, um als rentenberechtigt anerkannt zu werden.
Einen solchen Nachweis zu erbringen, ist für die überwiegende Mehrheit der ehemaligen Ghetto-Zwangsarbeiter aber kaum möglich. »Als ich das erste Mal von den Verhandlungen um die Rentenbewilligungen gehört habe, war ich schockiert«, sagt Regisseurin Dobrowlanska. »Mit meinem Stück möchte ich dieses Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte thematisieren.«
Zeugenberichte Die Performance, die sich auf frei zugängliche Akten und Zeugenberichte stützt, erzählt von der für die Überlebenden überaus frustrierenden Auseinandersetzung mit der Deutschen Rentenversicherung. Aber auch der Einsatz des Sozialrichters Jan-Robert von Renesse wird gewürdigt.
Dieser hatte sich über Jahre dafür eingesetzt, dass einstige Ghetto-Zwangsarbeiter eine Rente bekommen. Nicht ohne Folgen. Um ein Haar wäre von Renesse seinen Job losgeworden – so gewaltig war noch in den Jahren 2014 bis 2016 der Widerstand einiger Richterkollegen gegen die Rentenzahlungen.