In den 30er-Jahren war Daniel David Katzmann einer der angesehensten jüdischen Bürger in Leipzig. 1895 in Flieden in Hessen-Nassau geboren, leitete er die Jüdische Volkshochschule und den jüdischen Sportverein SV Schild. Während andere Juden längst aus Sachsen emigriert waren oder deportiert wurden, versuchte Katzmann – nach Lagerhaft in Buchenwald – verzweifelt, ein Land zur Ausreise zu finden.
Doch keines wollte ihn, seine Frau Hilde und die Tochter Inge aufnehmen. Als eine der letzten jüdischen Familien der Messestadt deportierten die Nationalsozialisten die Katzmanns 1942 zunächst ins KZ Theresienstadt. Im Vernichtungslager Auschwitz verlieren sich ihre Spuren.
ausstellung Dass diese Familiengeschichte nun aufgearbeitet werden konnte, zusammen mit den Schicksalen 72 anderer jüdischer Sportler, Sportfunktionäre und Familienangehörigen, ist dem Fanprojekt Leipzig zu verdanken. Aus Anlass des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz haben Ulrike Fabich und Mitstreiter seit Anfang 2014 Zeugnisse zusammengetragen. Gemeinsam mit Fußballfans verschiedener Vereine, dem Leipziger Sportmuseum sowie dem Netzwerk »blau-gelb« konnte einigen Namenlosen wieder eine Identität zugeordnet werden.
Im Rahmen der Wanderausstellung »Kicker, Kämpfer, Legenden – Juden im deutschen Fußball« waren die Schautafeln bislang im Neuen Rathaus zu sehen. Die Schau soll im Sommer im Rahmen der Jüdischen Wochen erneut präsentiert werden. »Wir zeigen, wie es den jüdischen Leipzigern gelungen ist, trotz widrigster Umstände ein sportliches Leben zu organisieren«, sagt Fabich.
In Leipzig durften Juden in den sozialistisch geprägten Arbeitersport-Vereinen wie andernorts nur bis 1933 Sport treiben. Auch aus anderen Vereinen wurden sie nach der Machtübernahme der NSDAP schrittweise ausgeschlossen. Bis November 1938 erlaubten die Gesetze sportliche Aktivitäten nur noch in jüdischen Vereinen, danach gab es ein Verbot aller Sportaktivitäten für Juden. Wem nicht die rechtzeitige Flucht oder Ausreise gelang, auf den warteten meist Deportation und Tod.
Nachforschungen Der zionistisch geprägte SK Bar Kochba und der SV Schild waren die beiden größten jüdischen Sportvereine der Stadt. Nach Schätzungen waren 1933 mehr als 2000 Sportler in ihnen organisiert. Weil die Dokumente entweder verbrannt oder von den Nationalsozialisten vernichten wurden, sind kaum noch Zeugnisse aus der NS-Zeit vorhanden. »Die Nachforschungen waren sehr zeitaufwendig, und die Dokumentenlage ist schwierig«, erklärt Ulrike Fabich.
Obwohl Leipzig als Gründungsort des Deutschen Fußball-Bundes und als Stadt des ersten deutschen Fußballmeisters – der VfB (heute Lok Leipzig) holte 1903 den Titel – eine große Fußballtradition aufweist, liegt das Schicksal der jüdischen Sportler weitgehend im Dunkeln. »Über den VfB Leipzig ist viel veröffentlich worden, aber die NS-Zeit wird dabei immer ausgeklammert«, sagt Fabich.
So war lange unbekannt, dass Ernst Raydt, der erste Präsident des VfB und zugleich Torwart der Meistermannschaft, Jude war. Auch dass sich auf dem Vereinsgelände des 1. FC Lok in Probstheida und auf dem Trainingsgelände von RB Leipzig unweit der Red-Bull-Arena Lager für Zwangsarbeiter befanden, ist für viele Leipziger neu.
»Es ist wichtig, diesen Teil der Stadtgeschichte zu erschließen«, sagte Oberbürgermeister Burkhardt Jung bei der Eröffnung. Wenn die Schau im Sommer erneut gezeigt wird, soll sie um weitere Sportlerbiografien ergänzt werden. »Es wäre wichtig, die Ausstellung dauerhaft zu präsentieren«, sagt Ulrike Fabich. »Auch für ein Buch hätten wir mittlerweile genügend Material zusammen.«