Zum 200. Geburtstag gab es eine bleibende Erinnerung: Am Dienstagnachmittag enthüllten Andrea Lissner und Micha Ramati die Gedenktafel aus KPM-Porzellan, die ihren Ururgroßvater und Urgroßonkel Abraham Geiger (1810–1874) als Historiker, Theologen und Reformer des Judentums würdigt. Micha Ramati war zusammen mit seiner Ehefrau Tsilla dazu eigens aus Israel angereist. »Wir müssen meiner Mutter jede Kleinigkeit genau berichten«, sagt er. Die 97-jährige Gretel Baum-Merom, die 1934 aus Frankfurt am Main ins damalige Palästina ging, sammelt in Haifa alles, was mit ihrem Großonkel zu tun hat.
Frisch Die Gedenktafel in der Rosenthaler Straße 40, in den Hackeschen Höfen in Berlin-Mitte, wo Geiger einst wohnte und starb, erinnert daran, dass der große liberale Rabbiner bereits 1836 eine »jüdisch-theologische Facultät« an einer deutschen Universität forderte und ab 1872 an der neuen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin lehrte. Überschrieben ist sie mit Geigers Motto »Durch Wissen zum Glauben«. Ermöglicht hat sie das Abraham-Geiger- Kolleg an der Universität Potsdam, dessen Rektor, Rabbiner Walter Homolka, der Historischen Kommission zu Berlin für die Unterstützung bei der Anbringung der Tafel dankte. »Wir haben uns vor allem deshalb nach Abraham Geiger benannt, weil er der Begründer der modernen akademischen Rabbinerausbildung gewesen ist. Abraham Geiger war es, der die neue wissenschaftliche Methode als Mittel erkennt, ›aus dem Judenthum heraus die Judenheit neu und frisch belebt zu gestalten‹«, erklärte er.
reform Neben Homolka wandten sich auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, und der Staatssekretär für Kulturelle Angelegenheiten des Landes Berlin, André Schmitz, an die gut 60 Gäste, darunter Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, Pröpstin Friederike von Kirchbach und Barbara Witting, die Leiterin der Berliner Jüdischen Oberschule. Süsskind erinnerte daran, dass während Geigers Tätigkeit als Gemeinderabbiner in Breslau das Konzept der Einheitsgemeinde ausgebildet wurde, das bis heute in Berlin erfolgreich umgesetzt wird; nicht umsonst habe die Jüdische Gemeinde zu Berlin »ihren unvergessenen Lehrer Abraham Geiger« in der Ehrenreihe des Friedhofes in der Schönhauser Allee bestattet. Staatssekretär André Schmitz beschrieb anschaulich das Werk und die Wirkung Geigers in Berlin und zitierte den Historiker Michael A. Meyer: »Wenn man irgendjemanden als Gründer des Reformjudentums bezeichnen kann, dann muss es Geiger sein.«
»Geiger zeigt uns, welch Entwicklungspotenzial das Judentum hat und wie wir selbst als progressive Juden leben können«, fasst es Leah Hochman zusammen, die am Hebrew Union College in Los Angeles lehrt und zusammen mit zehn Studierenden, künftigen Rabbinern und Kantoren aus Los Angeles, New York und Cincinnati, zur Gedenktafelenthüllung gekommen war. Wie aktuell Geigers Forderungen sind, machte Rabbiner Walter Homolka mit Verweis auf die jüngsten Empfehlungen des deutschen Wissenschaftsrates deutlich: »Im Jahr des 200. Geburtstags Abraham Geigers scheint das wahr zu werden, was dieser 1836 gefordert hatte: eine jüdische Fakultät für die deutsche Universität.«