Hamburg

Der unbekannte Vernichtungsort

In der Ausstellung »Vernichtungsort Malyj Trostenez – Geschichte und Erinnerung« Foto: Moritz Piehler

Die Hauptkirche Sankt Katharinen gegenüber der alten Speicherstadt zeigt eine beeindruckende Ausstellung: »Vernichtungsort Malyj Trostenez – Geschichte und Erinnerung«.

Kein zufällig gewählter Ort für die Wanderausstellung, denn, wie Pröpstin Ulrike Murmann in ihrer Eröffnungsansprache betonte, begann nur wenige Hundert Meter von Sankt Katharinen entfernt, am damaligen Hannoverschen Bahnhof, 1941 die Deportation Tausender Hamburger Juden und Jüdinnen. Unter anderem auch in das Lager Malyj Trostenez in Weißrussland, das bis heute längst nicht den Bekanntheitsgrad anderer Schreckensorte der Naziverbrechen erreicht hat.

Dies soll sich nun spätestens mit dieser Gemeinschaftsausstellung aus Deutschland und Belarus ändern. Historiker aus vier Ländern halfen bei der Konzeption dieses Pilotprojektes, das vom Internationalen Bildungs- und Begegnungswerk in Dortmund, IBB, der »Begegnungsstätte Johannes Rau« in Minsk und der Stiftung für die ermordeten Juden Deutschlands getragen wird. Dabei ging es den Machern auch darum, die Aufmerksamkeit auf das bislang oft vernachlässigte Leiden in Weißrussland zu lenken.

Opferzahlen Denn Belarus war das Land mit den verheerendsten Opferzahlen im Zweiten Weltkrieg, ein Viertel der Bevölkerung kam im Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten ums Leben, noch im heutigen Alltag spielt die Erinnerungskultur im Leben vieler Bewohner eine prägende Rolle.

Deshalb sind vier Schaukästen auch der Erinnerungskultur der drei Länder gewidmet – West- und Ostdeutschland sowie Belarus –, die sich in der Nachkriegszeit sehr unterschiedlich entwickelte. Denn im Westen, auch im Rahmen des Mythos von der sauberen Wehrmacht, kam das Lager bei Minsk so gut wie gar nicht vor und setzte sich so nicht im kollektiven Gedächtnis der (West-)Deutschen fest.

Obwohl die sowjetische Außerordentliche Kommission direkt nach Kriegsende dort von 40.000 Ermordeten ausging, werden nach Schätzungen heutiger Wissenschaftler sogar bis zu 60.000 Tote allein in Malyj Trostenez vermutet. Noch direkt vor der Befreiung erschossen die deutschen Soldaten 6500 Insassen und versuchten, die Spuren ihrer Verbrechen zu vertuschen, indem sie die Leichen verbrannten.

Die Rezeption dieser ungeheuren Brutalität und die Akzeptanz, den Ostfeldzug als von Beginn an als rassistischer Vernichtungskrieg angelegte Operation zu betrachten, änderte sich in Westdeutschland erst langsam mit der Öffnung des Ostblocks nach 1990. Auch der juristischen Aufarbeitung in der Nachkriegszeit räumt die Ausstellung Platz ein, im Zentrum steht jedoch die Protokollierung und Aufarbeitung der Schrecken, die in Malyj Trostenez von den Nazis verübt wurden.

Einzelschicksale Wie so oft wendet sich auch diese Ausstellung einzelnen Schicksalen zu, um das Grauen für die Besucher greifbar zu machen. Wie dem der Wiener Künstlerin und Journalistin Lili Grün, die in Blagowschtschina nahe des Lagers ermordet wurde, oder dem Leben des Kölner Schuldirektors Erich Klibansky, der mit Frau und drei Söhnen aus dem Rheinland nach Minsk deportiert und dort umgebracht wurde. Nicht nur ihr Tod steht im Vordergrund, sondern auch ihr Leben: Die persönliche Geschichte vor der Verfolgung soll für die Besucher anschaulich gemacht werden mit zahlreichen Fotos, Dokumenten und Interviews mit den Nachkommen.

Die Gedenkstätte, die in Malyj Trostenez entsteht und die dortige »Begegnungsstätte Johannes Rau« sollen Orte der Versöhnung und Verständigung werden, hoffte Pröpstin Murmann ebenso wie der stellvertretende belarussische Außenminister Sergey Sidorsky. »Die Spuren sind bis heute deutlich in unserem Land spürbar«, sagt Sidorsky und unterstreicht umso mehr die Wichtigkeit der Gedenkstätte als Ort der Begegnung zwischen beiden Ländern.

Auch Maya Kaprina hat sich die Ausstellung angesehen. Die 81-Jährige hatte als Kind mit ihrem Bruder das Minsker Ghetto überlebt und sprach bei ihrem Besuch in Hamburg als Zeitzeugin mit Schülern.

Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 17 Uhr noch bis zum 7. Dezember in Sankt Katharinen zu sehen und wird danach weiter durch Deutschland und schließlich im März 2017 nach Minsk wandern.

Hanau

Jüdische Gemeinde feiert Jubiläum

»Im Grunde genommen ist es mit das Größte und Schönste, was eine Gemeinde machen kann: eine neue Torarolle nach Hause zu bringen«, sagt Gemeinde-Geschäftsführer Oliver Dainow

 25.04.2025

Begegnung

Raum für das Unvergessene

Jede Woche treffen sich Schoa-Überlebende im Münchner »Café Zelig«, um Gemeinschaft zu finden im Schatten der Geschichte. Ein Ortsbesuch

von Katrin Diehl  23.04.2025

Interview

»Das Gedenken für Jugendliche greifbar machen«

Kurator Pascal Johanssen zur neuen Ausstellung im ehemaligen Jüdischen Waisenhaus in Pankow

von Gerhard Haase-Hindenberg  21.04.2025

Porträt der Woche

Austausch mit Gleichen

Maria Schubert ist Gemeindesekretärin in Magdeburg und tanzt gern

von Alicia Rust  18.04.2025

Feiertage

Hymne auf die Freiheit

Der Alexander-Moksel-Kindergarten führte im Gemeindezentrum ein Pessach-Musical auf

von Vivian Rosen  17.04.2025

Berlin

Mazze als Mizwa

Das Projekt »Mitzvah Day« unterstützt die Berliner Tafel mit einer Lebensmittel-Spende

von Katrin Richter  17.04.2025

Berlin

Berlin: Gericht bestätigt fristlose Kündigung von Rabbiner

Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung eines Rabbiners wegen sexueller Belästigung eines weiblichen Gemeindemitglieds bestätigt

 16.04.2025

Jewrovision

»Schmetterlinge im Bauch«

Nur stilles Wasser trinken, noch einmal gut essen, dann geht es auf die Bühne. Die Moderatoren Masha und Gregor verraten, wie sie sich vorbereiten und mit dem Lampenfieber umgehen

von Christine Schmitt  16.04.2025

München

Hand in Hand

Ein generationsübergreifendes Social-Media-Projekt erinnert an das Schicksal von Schoa-Überlebenden – Bayern-Torwart Daniel Peretz und Charlotte Knobloch beteiligen sich

von Luis Gruhler  15.04.2025