Politik

Der Staat und der Antisemitismus

Ronen Steinke stellte sein neues Buch im Hubert-Burda-Saal vor

von Helmut Reister  22.10.2020 11:42 Uhr

IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch und der Journalist Ronen Steinke Foto: Marina Maisel

Ronen Steinke stellte sein neues Buch im Hubert-Burda-Saal vor

von Helmut Reister  22.10.2020 11:42 Uhr

Es ist ein bitter klingender Satz, mit dem der Münchner Journalist und Autor Ronen Steinke das jüdische Leben beschreibt. »Judentum in Deutschland, das ist Religionsausübung im Belagerungszustand.« Dieser Satz stand auch auf der Einladung zur Vorstellung seines neuen Buchs Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt. Eine Anklage.

Zu der Veranstaltung am vergangenen Sonntag, die von Nelly Kranz moderiert wurde und mit stark reduzierter Besucherzahl sowie unter Einhaltung strenger Hygieneregeln im Hubert-Burda-Saal stattfinden konnte, hatten das IKG-Kulturzentrum, die Deutsch-Israelische-Gesellschaft (DIG) und das Junge Forum der DIG gemeinsam eingeladen. Zusätzlich wurde die Lesung auf www.ikg-live.de gestreamt.

Chronologie Teil des Buches ist eine Chronologie antisemitisch motivierter Gewalttaten seit Kriegsende. Kleingedruckt ist sie und trotzdem 90 Seiten stark. Ungeachtet dessen, so Steinke bei der Buchvorstellung, spiegele sie nicht annähernd die Realität wider.

Denn die sehe so aus, dass nur jede fünfte derartige Straftat überhaupt angezeigt werde und allein dadurch ein völlig verzerrtes, verharmlosendes Bild vom tatsächlichen Ausmaß des Antisemitismus in Deutschland entstehe.

Für den gesellschaftlich immer offener transportierten Antisemitismus macht Steinke auch den Staat verantwortlich. Er habe bei Sicherheitsbehörden eine Entwicklung zugelassen, in der antisemitisch motivierte Gewalt nur noch verwaltet oder auch beschönigt werde. In der Politik und in weiten Teilen der Gesellschaft, stellt der Autor fest, habe man sich zudem damit abgefunden, dass jüdisches Leben geschützt werden müsse. Selbst in seinem eigenen jüdischen Umfeld, wie Steinke einräumt, gebe es die Einstellung, dass dies der Normalzustand sei. »Aber daran ist gar nichts normal.«

Recherchen Verbunden ist das Ergebnis seiner Recherchen – ausgehend davon, dass der Schutz des Lebens eine Kernaufgabe des Staates darstelle – mit mehreren Forderungen, die Steinke am Ende seines Buchs benennt: Hassverbrechen stärker bestrafen, Antisemitismus auch als solchen benennen, Rechtsextreme aus den Sicherheitsbehörden entfernen, jüdische Einrichtungen schützen.

Steinke selbst sagt dazu, dass dies lediglich ein Minimalprogramm sei, um sich jüdisches Leben auch in Zukunft vorstellen zu können.

Ronen Steinke: »Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt. Eine Anklage«. Piper, Berlin 2020. 256 S., 18 €

Porträt der Woche

»Ich glaube an junge Menschen«

Ruchama Stern arbeitet mit Kindern und engagiert sich im Schüleraustausch

von Alicia Rust  23.02.2025

Bundestagswahl

Sie wollen mitentscheiden

Warum die Bundestagswahl für viele Jüdinnen und Juden etwas Besonderes ist

von Christine Schmitt  22.02.2025

München

Mäzen und Mentsch

Der Tod von David Stopnitzer ist ein großer Verlust für die jüdische Gemeinde

von Ellen Presser  22.02.2025

Oldenburg

Judenfeindliche Schmierereien nahe der Oldenburger Synagoge   

Im vergangenen Jahr wurde die Oldenburger Synagoge Ziel eines Anschlags. Nun meldet eine Passantin eine antisemitische Parole ganz in der Nähe. Die Polizei findet darauf noch mehr Schmierereien

 21.02.2025

Berlin

Wladimir Kaminer verkauft Wohnung über Facebook

Mit seiner Partyreihe »Russendisko« und vielen Büchern wurde Wladimir Kaminer bekannt. Für den Verkauf einer früheren Wohnung braucht er keinen Makler

 20.02.2025

Berlin

Eine krasse Show hinlegen

Noah Levi trat beim deutschen Vorentscheid für den Eurovision Song Contest an. In die nächste Runde kam er nicht, seinen Weg geht er trotzdem

von Helmut Kuhn  20.02.2025

Thüringen

Antisemitismus-Beauftragter soll »zeitnah« ernannt werden

Seit Dezember ist der Posten unbesetzt. Dem Gemeindevorsitzenden Schramm ist es wichtig, dass der Nachfolger Zeit mitbringt

 19.02.2025

Weimar

Erlebtes Wissen

Eine Fortbildung für Leiter jüdischer Jugendzentren befasste sich mit der Frage des zeitgemäßen Erinnerns. Unsere Autorin war vor Ort dabei

von Alicia Rust  18.02.2025

Bundestagswahl

Scharfe Worte

Über junge politische Perspektiven diskutierten Vertreter der Jugendorganisation der demokratischen Parteien in der Reihe »Tachles Pur«

von Pascal Beck  18.02.2025