Es kann nur ein kleiner Fehler sein, doch der Beamer im Leo-Baeck-Saal der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf möchte einfach nicht anspringen. Dabei sitzen Dutzende Kinder und Jugendliche schon an den langen Tischen – der Landesverband Nordrhein hat sie zu einer großen Feier eingeladen. Mitten im Trubel steht Gil Stein. Er ist seit wenigen Wochen der neue Jugendleiter der Gemeinde.
Doch wie »der Neue« benimmt er sich nun wirklich nicht, er packt an. Er telefoniert mit einem Techniker, neben ihm steht ein weiterer Gesprächspartner, der dringend etwas mit ihm organisieren möchte, und nach hinten gibt Stein Zeichen an einen Kollegen, was nun passieren soll. Kinder schwirren um den Jugendleiter herum, er lächelt, bleibt höflich. Und zwischendurch angelt er sich noch ein Falafelbällchen vom Buffet.
Seine Körpersprache strahlt Ruhe aus. Und noch zwei andere Sprachen beherrscht der 30-jährige Israeli perfekt – doch sind es eben nicht Deutsch und Russisch, in denen sich das Gemeindeleben hier abspielt. Er beherrscht Hebräisch und Englisch. »Ich kann auch Deutsch sprechen«, sagt er tatsächlich auf Deutsch – um dann zu lächeln und doch wieder ins vertrautere Englisch zu wechseln.
Kontakte Das passiert ihm immer dann, wenn es schnell gehen muss. Vor einem halben Jahr kam Gil Stein nach Düsseldorf, um seinen Master in European Studies zu machen. Geboren wurde er in einem Städtchen nahe Haifa, in Yokneam Hamoshava. Das Studienangebot an der Düsseldorfer Universität lockte ihn nach Deutschland.
Doch schon vor seiner Ankunft in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt kam er in Kontakt mit der Gemeinde. »Meine Mutter hat in Israel jemanden aus Düsseldorf getroffen, sie haben sich ausgetauscht – und nun bin ich hier Jugendleiter«, erzählt Stein und zuckt mit den Schultern. So kann es gehen.
Unerfahren ist der 30-Jährige in diesem Bereich nicht. »In Israel habe ich schon mit Studenten gearbeitet, war in der Armee Ausbilder für verschiedene Sachen und habe einige Erfahrung, was das Unterrichten angeht«, erklärt Stein. »Ich habe in Israel auch ein Programm entwickelt, das die jüdische Identität an der Universität fördern soll. Es wurde sogar fortgesetzt, nachdem ich die Universität verlassen hatte.«
Neuland Für eine Gemeinde allerdings, sagt der Madrich, habe ich noch nie gearbeitet. Für ihn ist das Leben, das sich hier zwischen Synagoge, Jugendzentrum und Verwaltungsgebäude abspielt, völlig neu. Es ist »unglaublich«, sagt Stein. »Die Leute sind alle hoch motiviert. Ich komme von außen, aus Israel, und ich muss sagen: Ich bin beeindruckt von diesem Ort.«
Dass er aus Israel kommt, wissen die Kinder und Jugendlichen in der Gemeinde selbstverständlich schon längst. Und es ist ein kleiner Joker für Gil Stein. »Sie haben da ein besonders großes Interesse und stellen von alleine viele Fragen. Ich würde nicht sagen, dass es unbedingt politische sind, aber es wird viel darüber gesprochen, was in Israel gerade los ist«, sagt Stein.
»Und dann ist da noch die Armee, das interessiert sie auch.« Während er erzählt, kommen drei Mädchen mit kleinen Schritten näher, wirken zunächst noch verschüchtert, eine fragt: »Sprichst du Hebräisch?« Gil Stein nickt. Und schon ist das Eis gebrochen, sie präsentieren ihre Sprachkenntnisse, und der Madrich plaudert gerne mit.
sprache »Es ist wie bei einem Tandem«, sagt er. »Ich versuche, mit den Kindern Deutsch zu sprechen, sie wollen Englisch und Hebräisch üben.« Stein lernt in einem Intensivkurs, jeden Tag. »Aber mit den Kindern lerne ich schnell, schnell, schnell.« Und auch sonst würde es in der Gemeinde gut mit der Kommunikation klappen, selbst wenn mal eine Vokabel fehlt.
Dass er neben seinen Aufgaben als Madrich auch noch die deutsche Sprache und für die Uni lernen muss, bekommt Stein gut unter einen Hut. »Ich bin schon ziemlich beschäftigt«, gibt er zu. »Aber ich studiere in diesem Semester gerade mal an eineinhalb Tagen. Gut, ich muss noch meine Arbeit schreiben, aber das geht schon.« Es bliebe noch genug Zeit, um sich in der Gemeinde zu engagieren.
Gerade sei er dabei, einen langfristigen Plan für die Arbeit im Jugendzentrum zu erstellen. »Ich möchte herausfinden, was gut läuft und was wir noch verbessern können. Dafür muss ich aber auch die Eltern und selbstverständlich die Kinder einbinden.«
Sein Ziel: Er möchte neben der jüdischen auch die israelische Identität der Jugendzentrumsbesucher stärken. Auch für sein eigenes Leben hat er schon Pläne, zumindest für die nächsten Jahre. Nach dem Studium möchte er nicht gleich wieder aus Düsseldorf verschwinden. Denn für die nächste Zeit, verspricht Stein, habe die Gemeinde »first priority – for sure«.