Zeitzeuge

Der letzte Befreier von Auschwitz

David Dushman steuerte als 21-Jähriger einen der Panzer der Roten Armee

von Helmut Reister  28.01.2021 09:13 Uhr

David Dushman mit Charlotte Knobloch Foto: Marina Maisel

David Dushman steuerte als 21-Jähriger einen der Panzer der Roten Armee

von Helmut Reister  28.01.2021 09:13 Uhr

Seit 1996 lebt David Dushman in München. Er ist eine lebende Legende. Die Biografie des aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Juden ist Zeitgeschichte pur, Stoff für Geschichtsbücher.

Er war es, der am 27. Januar 1945 mit seinem T-34-Panzer die elektrisch geladene Umzäunung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau niederwalzte und den »Tag der Befreiung« für die letzten Überlebenden der Todesfabrik Realität werden ließ. Von den Soldaten seiner Einheit ist niemand mehr am Leben – Dushman ist der letzte lebende Befreier von Auschwitz.

schrecken Vor 76 Jahren nahm der 21-jährige Soldat die Schrecken von Auschwitz durch den Sehschlitz seines Panzers wahr. Dushman sah halb verhungerte Menschen, Leichenberge, unsägliches Leid. Was Auschwitz damals wirklich war, wusste er nicht. »Das«, sagt er, »habe ich erst nach dem Krieg erfahren.«

Ausgrenzung, Diffamierung und den gesellschaftlichen Absturz ins Bodenlose, weil er Jude war, erlebten er und seine Familie hingegen auch in der Sowjetunion. Sein Vater, ein Arzt, der der stalinistischen Säuberungswelle zum Opfer fiel, starb in einem Arbeitslager.

Für David Dushman, der für seine Tapferkeit mit Dutzenden Medaillen und Ehrenzeichen dekoriert wurde, begann nach dem Krieg ein neues Leben.

Für David Dushman, der für seine Tapferkeit mit Dutzenden Medaillen und Ehrenzeichen dekoriert wurde, begann nach dem Krieg ein neues Leben. Fast vier Jahrzehnte lang, von 1952 bis 1988, trainierte er im Fechten die Frauen-Nationalmannschaft der Sowjetunion und bildete Spitzensportlerinnen der Superklasse aus. Seine »Kinder«, wie er sie nannte, heimsten zahllose Weltmeistertitel ein und standen bei einem halben Dutzend Olympischer Spiele im Medaillenregen.

olympia-attentat In seiner Funktion als Trainer erlebte er 1972 an seinem jetzigen Wohnort München auch den Terroranschlag auf die israelischen Sportler mit. »Wir hörten Schüsse und das Brummen der Hubschrauber über uns. Wir wohnten damals genau gegenüber der israelischen Mannschaft«, erinnert er sich. Das Entsetzen, das der Anschlag unter den Sportlern auslöste, hat er nie vergessen.

Das kunstvolle Hantieren mit der Klinge hat ihn nicht losgelassen. Das war schon 1988 so, als er seinen Trainerjob beendete, und es gehört auch heute noch, im Alter von fast 98 Jahren, zu seinen Leidenschaften. Er trainiert regelmäßig. Genauso regelmäßig trat er vor der Corona-Krise in Schulen als Zeitzeuge auf. Ressentiments gegenüber den Deutschen sind Dushman fremd: »Wir haben nicht gegen Deutsche gekämpft, sondern gegen den Faschismus.«

Bei der Feier zu seinem 95. Geburtstag sprach IKG-Präsidentin Charlotte Knob­loch von seinen beiden unterschiedlichen Lebensabschnitten. »Was Sie an physischen und seelischen Schmerzen erleiden mussten, aber auch, was Sie an Großartigem geleistet haben und welche außergewöhnlichen Erfolge Sie feiern konnten – das reicht eigentlich für drei Leben.«

Schwäbische Alb

Erinnerung sucht Nachfolger

Ehrenamtliche rekonstruieren in großer Fleißarbeit jüdische Geschichte. Doch wer kümmert sich darum, wenn sie es nicht mehr schaffen?

von Valentin Schmid  23.03.2025

Porträt der Woche

Der unbeirrbare Maler

Amnon David Ar folgt mit Disziplin und Leidenschaft seiner Kunst

von Alicia Rust  23.03.2025

Nachruf

»Du fehlst schon heute«

Peggy Parnass war Gerichtsreporterin, Journalistin und Künstlerin. Unsere Autorin Sharon Adler nimmt Abschied von ihrer langjährigen Freundin. Ein letzter Brief

von Sharon Adler  21.03.2025

Prenzlauer Berg

Veras Stein

Das neue Buch von »Welt am Sonntag«-Chefredakteur Jacques Schuster erzählt Geschichten von Menschen, die auf dem Jüdischen Friedhof in der Schönhauser Allee beerdigt sind. Ein exklusiver Vorabdruck

von Jacques Schuster  21.03.2025

Leserbriefe

»Es gibt uns, nichtjüdische Deutsche, die trauern und mitfühlen«

Nach der Sonderausgabe zum Schicksal der Familie Bibas haben uns zahlreiche Zuschriften von Lesern erreicht. Eine Auswahl

 20.03.2025

Medien

Gil Ofarims Anwälte sollen ihn »zum Geständnis geprügelt haben«

Lange hatte der Musiker zum Verleumdungs-Prozess gegen ihn geschwiegen. Jetzt erwecken seine Anwälte den Eindruck, dass Ofarim nur aus einer Not heraus gestanden hat

 20.03.2025

Jewrovision

Vereint in Vorfreude

Mehrere Hundert Jugendliche nehmen am Songcontest in Dortmund teil. Wie nutzen sie die Zeit bis Juni? Wir haben uns umgehört

von Christine Schmitt  20.03.2025

Bildung

Judentum in die Schule - Neue Online-Plattform für Lehrkräfte

Warum verkleidet man sich an Purim? Und was feiern Juden an Pessach? Ein neues Online-Angebot des Jüdischen Museums Berlin bietet Lehrern und Schülern Wissenswertes zu jüdischer Geschichte und Kultur

von Nina Schmedding  20.03.2025

Musik

Virtuose Spiellust

Der Pianist Ido Ramot gab ein Konzert in der Münchner Zaidman-Seniorenresidenz

von Vivian Rosen  18.03.2025