Die jüdischen Gotteshäuser, die es nicht mehr gibt, male ich auch als Erinnerung an die Menschen, die es nicht mehr gibt», sagt einer der bedeutendsten Architekturmaler Deutschlands, Alexander Dettmar. Der in Freiburg im Breisgau geborene 64 Jahre alte Künstler lebt zwar in Berlin, ist aber vor allem unterwegs. Beispielsweise in Erfurt. Hier hat er derzeit eine Ausstellung, unter anderem mit Ölbildern von Synagogen, die 1938 von den Nazis in Brand gesetzt worden waren.
Dettmar malt in Öl – ausschließlich in Öl. «Dieses Material ist mir seit Jahren treu», erklärt er. Seine Bilder wirken trotz aller Farbe ein wenig düster. Gerade hat er die Große Synagoge vollendet. Sie stand am Erfurter Kartäuserring 14 und ging in der Nacht zum 10. November 1938 in Flammen auf. Zwei Bilder widmet er ihr. Die Farbe Rot dominiert, ob sie den Feuerschein symbolisieren soll, überlässt Dettmar der Interpretation seines Publikums.
Zufall Dettmar ist kein Jude. Dass er seit 1994 jüdische Gotteshäuser malt, die später zerstört wurden, ist einem Zufall geschuldet. Damals besuchte er Güstrow, nördlich der mecklenburgischen Seenplatte. Dort hatte er den Dom gemalt und wollte den Platz aufsuchen, auf dem einst die Synagoge stand. Doch auf dem unbefestigten Gelände parkten lediglich ein paar Autos. Noch nicht einmal eine Tafel erinnerte daran, was 1938 hier passiert war.
Darüber war Dettmar so entsetzt, dass er versprach: «Ich male euch die einstige Synagoge genauso groß wie den Dom.» Gesagt, getan. Das Gemälde misst 90 mal 110 Zentimeter. Und es sollten noch viele Synagogenbilder folgen. Inzwischen ist der Bildband Painting to remember mit 150 Werken einstiger Synagogen erschienen.
Auch der Jüdische Friedhof Schönhauser Allee in Berlin spielt eine bedeutende Rolle in seinem künstlerischen Schaffen. Als Dettmar nach dem Tod seines Vaters in den 90er-Jahren ein ganzes Jahr lang nicht mehr malen konnte, besuchte er diesen jüdischen Friedhof. Ihn beeindruckte, wie man im Judentum mit den Toten umgeht – und er war plötzlich wieder fähig zu malen.
Religion «Spätestens in extremen Situationen wird man religiös», sagt Dettmar. Das Judentum faszinierte ihn, und er beschäftigte sich damit, dass der Name Gottes hier nicht ausgeschrieben werden darf. «G’tt» lässt Spielraum, erkennt Dettmar. «Symbolik hat was.» Das spürte er auch, als er sich vor einigen Jahren mit der Synagoge von Hannover befasste. Gebäude und Geschichte empfand er als imposant. Sie stand bis 1938 in unmittelbarer Nachbarschaft zur evangelischen und katholischen Kirche. In der Pogromnacht wurde sie angesteckt und brannte völlig aus.
Dettmar malte sie als Triptychon. Das wurde 2010 in einer Ausstellung am Leo-Baeck-Institut in New York gezeigt, die der Sohn des zweiten Rabbiners von Hannover, Ismar Schorsch, eröffnete. Die Nazis hatten seinen Vater, Rabbiner Emil Schorsch, nach Buchenwald in Thüringen verschleppt. Als der Rabbiner nicht glauben wollte, dass seine Synagoge in Hannover zerstört worden war, verfrachtete man ihn in ein Auto und fuhr ihn nach Hannover.
«Es gibt nichts auf dieser Welt, was mich mehr beschäftigt als das Massenverbrechen der Nazis und die Teilnahmslosigkeit der Nachbarn. Das hat doch eine Aktualität, die ängstigen kann», sagt Dettmar, wenn er so etwas hört.
Geschichten Die Geschichten, die Alexander Dettmar von Synagogen und den Betern in diesen Gotteshäusern in Deutschland erzählen kann, scheinen endlos. Er findet sie in Archiven und alten Dokumenten. Die Unterlagen für die Große Erfurter Synagoge fand er im Stadtarchiv. Dort waren sämtliche Bauzeichnungen und Beschreibungen fein säuberlich abgeheftet. Zudem sucht er Gespräche mit möglichen Zeitzeugen oder deren Angehörigen. «Ich recherchiere, was mir hilft, ein Stimmungsbild zu finden.»
Und er braucht für seine Arbeit Inspiration. Beispielsweise war lange Zeit nicht sicher, ob er die Erfurter Synagoge würde malen können. Als er Ende Oktober seine Ausstellung in Erfurt vorbereitete, hatte er auf die Frage nach einem Bild noch keine Antwort. Am 9. November aber sind die beiden Erfurter Bilder fertig. Gemalt in der Kleinen Synagoge. «Das war ein guter Ort», ist Dettmar sichtlich zufrieden.
Zum Abschluss der Ausstellung Ende November sind Dettmars Werke an drei unterschiedlichen Ausstellungsorten zu sehen: «(K)ein Stein auf dem anderen» mit Bildern aus dem Zyklus «Thüringen» im Collegium Maius, die Reihe «Wittenberg» in der Michaeliskirche und die Werke «Zerstörte Synagogen» in der Kleinen Synagoge. Laut Programm wird Dettmar bei der Ausstellung in der Kleinen Synagoge erwartet. Ob er Besucher durch seine Ausstellung führen und ihnen Rede und Antwort stehen wird, ließ er jedoch offen.