Jubiläumsjahr

Der Countdown läuft

Die Vorbereitungen zu 1700 Jahre jüdisches Leben treten in die entscheidende Phase

Der Anfang: 321 erlaubte Kaiser Konstantin Juden den Zugang zu Ämtern in der Stadtverwaltung. Foto: picture-alliance/ dpa

Die Vorbereitungen zu 1700 Jahre jüdisches Leben treten in die entscheidende Phase

Im neuen Jahr 5781 soll vor allem an die 1700 Jahre lange jüdische Tradition in Deutschland erinnert werden. Die Vorbereitungen und das Programm für das Festjahr laufen schon fast das ganze Jahr über und nahmen in den vergangenen Wochen immer mehr Gestalt an. Doch vor der Vielzahl an Angeboten rund um das Jubiläumsjahr stehen Förderanträge, Finanzen und viel Organisation.

Drei Förderrunden sind mittlerweile abgeschlossen. Vereine, Stiftungen, jüdische Gemeinden und Einrichtungen oder die christlichen Kirchen, aber auch Theater, Bühnen oder Künstlerinitiativen konnten sich dabei um die finanzielle Unterstützung eines eigenen Vorhabens oder einer Veranstaltung bewerben.

»In der zweiten Förderrunde hat die Jury aus etwa 350 Projektvorschlägen rund 250 förderwürdige Projekte ausgewählt«, berichtet Andrei Kovacs, Geschäftsführer des eigens für die Planung, Durchführung und Abwicklung des Festjahres gegründeten Vereins »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Im nächsten Schritt würden das Bundesinnenministerium sowie die Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, als Geldgeber über die ausgewählten Vorschläge abschließend beraten. Da ist Geduld gefragt, das weiß auch Kovacs und bittet um Verständnis.

Edikt Doch einige Projekte sind bereits entschieden. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, selbst Mitglied im Kuratorium des Trägervereins »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, hat sich dabei für ein besonderes Highlight eingesetzt. Dank seines Engagements wird die älteste bekannte Abschrift des konstantinischen Edikts – sie stammt aus dem sechsten Jahrhundert und liegt im Archiv des Vatikans – 2021 in einer Ausstellung gezeigt.

Im Jahr 321 hatte der römische Kaiser Konstantin den Juden in Köln den Zugang zu Ämtern in der Stadtverwaltung erlaubt.

Im Jahr 321 hatte der römische Kaiser Konstantin den Juden in Köln den Zugang zu Ämtern in der Stadtverwaltung erlaubt. »Wir möchten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die lange jüdische Tradition in Köln lenken und vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte das heutige gute Miteinander von Christen und Juden betonen«, erklärte der Kölner Weihbischof Rolf Steinhäuser dazu.

Der Synagogen-Gemeinde fühlt sich Woelki besonders verbunden. Im Februar hatte er sie besucht und darauf hingewiesen, dass Juden ein Teil der Gesellschaft sind und die jüdischen Gemeinden ein »grundständiges Existenzrecht, auch gerade in unserem Land« haben. Dies im kommenden Jahr besonders deutlich zu machen, sei auch ein Anliegen und eine Botschaft der Kirche, betont Woelki.

einblicke Andere Projekte beleuchten vor allem die jahrhundertelange Geschichte von Verfolgung und Antisemitismus. Sie sollen aber auch neue Einblicke in das »jüdische Leben damals und heute vermitteln«, hofft der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet. In seiner Neujahrsbotschaft an die jüdischen Gemeinden betonte er: »Jüdisches Leben, jüdische Traditionen und Bräuche sind uns nicht fremd. Sie gehören zu uns und zu diesem Land.«

Die Katholische Kirche in Köln will daher mit ihren Gemeinden des Stadtdekanats deutliche Signale in die Gesellschaft aussenden und den seit Jahren bestehenden freundschaftlichen Kontakt mit den jüdischen Gemeinden und die Zusammenarbeit, beispielsweise im Rat der Religionen, intensivieren, betont der Stadt- und Domdechant Robert Kleine.

Außerdem wurde laut Kleine ein ökumenischer Arbeitskreis gebildet, der Anregungen und Impulse zu Predigtreihen, Bildungs- und Begegnungsveranstaltungen sowie kirchenmusikalische Projekte für die Kölner Kirchengemeinden entwickelt, die dazu dienen sollen, sich mit 1700 Jahren jüdischen Lebens in Deutschland und seinen aktuellen Herausforderungen auseinanderzusetzen.

Bewerbungen Der Weg zu konkreten Projekten ist lang. In der ersten Förderrunde, die im Juli endete, waren bundesweit bereits rund 50 Projekte ausgewählt worden. Die weiteren Entscheidungen nach der dritten Förderrunde werden derzeit getroffen, da sich Veranstalter noch bis zum 20. September bewerben konnten. Inzwischen gibt es Projekte und Veranstaltungstermine für das gesamte kommende Jahr in allen 16 Bundesländern.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft
über das Festjahr.

Kovacs ist aber schon zum jetzigen Zeitpunkt begeistert, wie viele gesellschaftliche Gruppen und Akteure sich in das im Januar beginnende Festjahr einbringen wollen. »Das macht die Arbeit der Jury nicht unbedingt leichter«, sagt der Geschäftsführer und streicht die Tätigkeit des aus sieben Personen bestehenden Gremiums unter der Leitung der Grünen-Politikerin und ehemaligen NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann heraus. Die Jurymitglieder investierten »sehr viel Zeit, Idealismus und Enthusiasmus in ihre Arbeit«, betont Kovacs.

Dies gelte darüber hinaus aber auch für alle in der Geschäftsstelle und im Vorstand tätigen Personen, ohne deren enormen Einsatz weit über deren eigentliche Aufgabenbereiche hinaus das Gesamtprojekt »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« in dieser Form wohl kaum zu stemmen wäre. Zumal in diesem kurzen Zeitraum und das unter den Bedingungen der Pandemie, denn: Der Verein wurde zwar bereits 2018 gegründet, doch die Projekt- und Förderplattform läuft erst seit Anfang 2020.

Pandemie Doch Corona zum Trotz plane man wie gehabt, sagt Kovacs. »Natürlich fahren wir dabei auf Sicht und handeln gemäß den Vorgaben von Bund und Ländern.« Gerade die finanziellen Aspekte mancher Projekte liegen aus haushälterischen Gründen gar nicht in den Händen oder gar der Verantwortung des Vereins. Für die vom Verein verantworteten Aktionen gibt es selbstverständlich ein eigens erstelltes und mit den zuständigen Behörden abgestimmtes Hygienekonzept. Darüber hinaus sind für das Festjahr spezifische Veranstaltungsformate via Livestream, Podcast und virtueller Ausstellungen geplant.

Immer wieder stießen die Veranstalter auf Unwägbarkeiten. »Wir mussten uns in kurzer Zeit darum kümmern, möglichst viele Partner zu bekommen sowie parallel dazu ein tragfähiges System und nachhaltige Strukturen aufzubauen«, sagt der Geschäftsführer, der den Verein gern auch mit einem Start-up-Unternehmen vergleicht.

Einen besonderen Motivationsschub hat es vor einigen Wochen gegeben, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Schirmherrschaft über das Festjahr übernommen hat. »Das ist eine besondere Ehre und ein ganz starker Ansporn für unsere weitere Arbeit«, betont Kovacs. Was den Geschäftsführer darüber hinaus optimistisch stimmt, sind die laufenden Verhandlungen mit weiteren Partnern. So konnten mit den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt bereits Partnerverträge unterzeichnet werden. Weitere sollen in den kommenden Wochen folgen.

projekte Worauf es in den nächsten Monaten darüber hinaus ankommt, ist die Organisation von sogenannten P3-Projekten. Dabei verzichten die Veranstalter weitestgehend auf eine finanzielle Förderung für ihren Beitrag zu #2021JLID »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Speziell hierzu seien auf Projektplattformen vereinfachte Verfahren eingerichtet worden, um Interessenten für eine Beteiligung zu gewinnen, betont Kovacs.

Der Verein »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« selbst organisiert das Kulturfest »Mentsh!«.

Der Verein »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« selbst organisiert das Kulturfest »Mentsh!«. Es ist als bundesweites Festival angelegt, bei dem es darum geht, durch Begegnungen unterschiedlichster Art und Weise jüdisches Leben für ein breites Publikum erleb- und sichtbar zu machen.

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Jüdische Kultur und Lebensweisen sollen durch die verschiedenen innovativen und kreativen Veranstaltungsplattformen in ihrer Gegenwart, aber auch und vor allem mit ihrer Perspektive auf die Zukunft aufgezeigt werden. Eine große Rolle wird dabei die Musik spielen, die wie kaum eine andere Form über Grenzen und Kulturen hinweg dazu beitragen kann, gegenseitiges Verständnis und bewusste Gemeinschaftlichkeit aufzubauen.

kooperation Um den Hygienegeboten der Pandemie zu entsprechen, werden für das Festival derzeit in Kooperation mit Städten und Gemeinden sowie Vereinen und Verbänden lokale, regionale und überregionale Veranstaltungen konzipiert, die überwiegend im Freien stattfinden sollen.

»Die große Bereitschaft, sich einbringen und beteiligen zu wollen, eröffnet uns vielfältige Perspektiven und Möglichkeiten, die Vielfalt jüdischen Lebens aufzuzeigen und erlebbar zu machen«, fasst Kovacs den bisherigen Stand zusammen und hofft, dass das Festjahr dazu beitragen kann, »dass jüdisches Leben ein bisschen mehr Normalität in Deutschland bekommt«.

www.2021JLID.de
www.mitmachen.2021JLID.de

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