Nachruf

Der Brückenbauer

Franz von Hammerstein, der am 15. August im Alter von 90 Jahren verstorben ist, verwies, auf seine Jugend angesprochen, auf sein erstes Erlebnis im Alter von zwölf Jahren: Am 3. Februar 1933 kam der am 30. Januar, also wenige Tage zuvor, neu ernannte Reichskanzler Adolf Hitler in die Dienstwohnung seines Vaters, die dort war, wo heute die Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist. Hitler kam, um vor den Generälen der Reichswehr seine Pläne für Deutschland vorzustellen: Dies hat von Hammersteins Vater dazu bewogen, seinen Dienst unverzüglich zu quittieren.

Einzelzelle Seit Anfang August 1944 saß Franz von Hammerstein in einer Einzelzelle des Gestapo-Gefängnisses Lehrter Straße. Im KZ Buchenwald traf er auch auf andere Angehörige des 20. Juli 1944, die wie er in Sippenhaft genommen worden waren.

Zwischen 1948 und 1950 studierte Franz von Hammerstein dann mit einem Stipendium des Weltkirchenrates am Theological Seminary Chicago, an der Howard University Washington D.C., oder wie er sagt, »an einer schwarzen Universität mit einem Rabbiner aus Breslau als Professor«. Diese »schwarze« Howard University hat ihm dann 1967 einen Ehrendoktor verliehen. Franz von Hammerstein ging nach Deutschland zurück, machte dort Examen und Vikariat, heiratete die Schweizer Theologin Verena Rohrdorf, die ihn nun überlebt. Dann entstand die theologische Dissertation Das Messiasproblem bei Martin Buber, 1957 in Münster angenommen.

Gründungsvater Er gehörte im selben Jahr zu den Gründungsvätern von »Aktion Sühnezeichen«, deren Generalsekretär er lange Zeit war. Diese Versöhnungsarbeit war damals ganz und gar nicht selbstverständlich, sondern eigentlich ein Akt des Widerstandes. 1978 wurde Franz von Hammerstein Direktor der Evangelischen Akademie in West-Berlin. 1986 wurde von Hammerstein mit 65 Jahren offiziell in den »Unruhestand« versetzt, denn er machte nun ehrenamtlich, was er bis dahin hauptamtlich verantwortet hatte.

»Und ich bin heute noch der Meinung, dass ja die Kirchen damals hätten sagen müssen: Wir sind alle Juden; die Christen hätten sagen müssen: Wir sind im Grunde alle Juden. – Eine Enkeltochter meiner Schwester, die inzwischen gestorben ist, ist Rabbinerin geworden«, erzählte er.

Er hat nicht nur Brücken gebaut, sondern war auf beiden Seiten zu Hause. Wie oft besuchte er freitagabends die unweit seines Zuhauses gelegene Synagoge am Hüttenweg zusammen mit seiner Frau Verena! Seine Stimme wird im christlich-
jüdischen Dialog fehlen.

Porträt der Woche

Ein Signal senden

David Cohen ist Geschäftsführer eines Unternehmens und setzt sich gegen Judenhass ein

von Matthias Messmer  22.12.2024

Soziale Medien

In 280 Zeichen

Warum sind Rabbinerinnen und Rabbiner auf X, Instagram oder Facebook – und warum nicht? Wir haben einige gefragt

von Katrin Richter  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Ehrung

Verdiente Würdigung

Auf der Veranstaltung »Drei Tage für uns« wurde der Rechtsanwalt Christoph Rückel ausgezeichnet

von Luis Gruhler  19.12.2024

Chabad

Einweihung des größten Chanukka-Leuchters Europas in Berlin

Der Leuchter wird auf dem Pariser Platz in Berlin-Mitte vor dem Brandenburger Tor aufgebaut

 18.12.2024

Berlin

Neue Töne

Beim Louis Lewandowski Festival erklingen in diesem Jahr erstmals nur orientalische Melodien

von Christine Schmitt  18.12.2024

»Coffee with a Jew«

Auf ein Käffchen

Das Münchener Projekt ist ein großer Erfolg - und wird nun fortgesetzt

von Luis Gruhler  18.12.2024