Deutschlands größte liberale jüdische Gemeinde in Hannover hat am Donnerstag ihr 20-jähriges Bestehen gefeiert. Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) würdigte bei einem Festakt im Gemeindezentrum Etz Chaim das religiöse, soziale und kulturelle Leben der Gemeinde: »Die liberale jüdische Gemeinde nimmt im interreligiösen und interkulturellen Dialog in Stadt und Region einen wichtigen Platz ein«, sagte sie vor rund 450 geladenen Gästen in der Synagoge. Die Konzerte, Lesungen und Vorträge erzielten eine große Resonanz weit über Hannover hinaus.
Die liberale Gemeinde habe die Begegnung unterschiedlicher Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt, betonte Heiligenstadt laut Redemanuskript. Dabei sei sie auch offen für Angehörige anderer Religionen. »Diese vielfältige Arbeit hat schon viele Früchte getragen und viel Gutes bewirkt.«
frauenpower Zentralratspräsident Josef Schuster würdigte vor allem das Aufbauwerk. »Etz Chaim, der Baum des Lebens hat Wurzeln geschlagen – und ist im Leben der Stadt Hannover und in der jüdischen Gemeinschaft Deutschlands heute fest verankert«, so Schuster. »Dieser Erfolg ist – wie so vieles im jüdischen Leben – nicht zuletzt den Frauen zu verdanken.« Insbesondere nannte er Katarina Seidler, die gemeinsam mit ihrer Familie in ihrer Privatwohnung die Gemeinde zunächst betrieben hatte.
Von ursprünglich 79 Menschen ist die Gemeinschaft heute auf rund 800 Mitglieder aus 17 Nationen, zum großen Teil aus der früheren Sowjetunion, aber auch aus Rumänien, Argentinien oder Südafrika angewachsen. Die Gründung, die zunächst höchst umstritten gewesen sei, war vor allem Teamarbeit von Frauen, betonte Schuster. Seit 1999 leitet Ingrid Wettberg die Liberale Gemeinde Hannover. Seit 2009 hat die Gemeinde in der ehemaligen Gustaf-Adolf-Kirche im Stadtteil Leinhausen ihr jüdisches Gemeindezentrum, das das Land Niedersachsen mit insgesamt 3,3 Millionen Euro bezuschusst hatte.
Herausforderungen Indem die liberale Gemeinde stets Teil des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen geblieben sei, hätten Seidler wie Wettberg bewiesen, dass sie immer »über Hannover hinausdenken«, betonte der Zentralratspräsident. Nur gemeinsam könne man die anstehenden Herausforderungen wie den Mitgliederschwund durch die Überalterung der Gemeinden und die Anfeindungen durch Antisemitismus meistern. »Wir alle wollen dazu beitragen, dass Flüchtlinge, die oft Schreckliches erlebt haben, sich in Deutschland wohlfühlen. Aber auch wir Juden wollen unseren festen Platz in dieser Gesellschaft behalten und unsere Interessen verteidigen«. Daher wiege der Verbleib der Liberalen Gemeinde Hannover unter dem Dach des Zentralrats umso mehr.
In aller Deutlichkeit bekannte Schuster: »Als Präsident des Zentralrats lege ich großen Wert darauf, dass jeder jüdische Mensch seine Version des Judentums so leben und praktizieren kann, wie er oder sie es möchte. Und damit meine ich ausdrücklich: Auch Frauen, wenn sie wollen, sollen im Gottesdienst zur Toralesung aufgerufen werden.« Er wünsche dem Baum des Lebens »Wachstum und Gedeihen – in die Höhe, in die Breite und jeder Beziehung.« epd/ja