Hamburg

Der andere Blickwinkel

Auf dem Podium (v.l.): Marina Chernivsky, Melanie Leonhard und Nissar Gardi Foto: Sozialbehörde

Über Antisemitismus wird in diesen Tagen und Wochen viel gesprochen. Doch selten rückt dabei die Perspektive der Betroffenen so in den Blick wie bei der Fachtagung in Hamburg. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) hatte unter dem Motto »Antisemitismus – erkennen und begegnen!« 140 Teilnehmer aus Praxis, Zivilgesellschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Politik in den Bürgersaal Wandsbek eingeladen. Senatorin Melanie Leonard, die den Fachtag initiiert hatte, betonte in ihrer Einführung, dass Antisemitismusprävention für sie ein wichtiges Anliegen ist.

Die Abteilung für Integration, Zivilgesellschaft und Opferschutz der Behörde hatte den Fachtag in enger Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde in Hamburg sowie der Liberalen Jüdischen Gemeinde gestaltet. So wurde bereits in der Vorbereitung die Perspektive der Betroffenen von antisemitischen Übergriffen berücksichtigt. Denn nach wie vor gilt: Antisemitische Übergriffe in allen Bereichen des Lebens werden geleugnet oder heruntergespielt. Dies illustrierten zwei Schülerinnen der Joseph-Carlebach-Schule sehr nachdrücklich. Sie berichteten von ihrem Alltag und dem ihrer Freunde an nicht-jüdischen Schulen und in Sportvereinen und machten den Zuhörern deutlich, dass antisemitische Diskriminierung an deutschen Schulen zu einer täglichen »Normalität« geworden ist.

Antisemitismusstudie Unter dem Titel »Zwischen Vorurteil und Hass« präsentierte Andreas Zick vom »Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung« der Universität Bielefeld Befunde aus aktuellen Antisemitismusstudien. So wurden im Jahr 2018 1799 antisemitische Gewaltdelikte registriert, das ist ein Anstieg von 19,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 90 Prozent dieser Straftaten hatten angeblich einen rechtsextremistischen Hintergrund. Der linke Antisemitismus fehlte in seiner Darstellung.

Es ging um Fachperspektiven aus der Beratungs- und Präventionsarbeit.

In einem von Melanie Leonhard moderierten Gespräch mit Marina Chernivsky vom Kompetenzzentrum für Prävention und Empowerment der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden (ZWST) und Nissar Gardi von »empower«, der neu gegründeten Hamburger Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, ging es um die Fachperspektiven aus der Beratungs- und Präventionsarbeit.

Marina Chernivsky betonte, dass es in der deutschen Gesellschaft über Jahrzehnte verboten war, über Antisemitismus zu reden, weil es ihn nicht geben »durfte«. Laut Nissar Gardi verzeichnet »empower« einen deutlichen Anstieg antisemitischer Übergriffe in Hamburg. Auch sie bestätigte, dass das Ansprechen von antisemitischen Übergriffen tabuisiert wird. Die Perspektiven jüdischer Betroffener, die bei »empower« Hilfe suchen, würden in ihrem schulischen oder beruflichen Umfeld unterdrückt oder sanktioniert.

Opferschutz Isabel Said, Leiterin der Abteilung für Integration, Zivilgesellschaft und Opferschutz, referierte zur Arbeit der Behörde gegen Antisemitismus. Durch eine Kombination von Bildung, Kooperation und Vernetzung einerseits und Beratung, Unterstützung und Intervention andererseits sollen in Hamburg die Grundlagen für Präventionsarbeit gelegt werden. Ebenso gibt es eine ressortübergreifende Koordination von Hamburger Behörden und Bezirken mit der Bund-Länder-Kommission zur Antisemitismusbekämpfung und der Zivilgesellschaft, die in der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration als Ansprechpartnerin verbunden wird.

Die »Zeit«-Stiftung hat eine Initiative zur Antisemitismus-Erkennung ins Leben gerufen.

Am Nachmittag wurden in fünf parallelen Workshops verschiedene Aspekte der Antisemitismusprävention tiefergehend beleuchtet. Dazu gehörten unter anderem: »Antisemitismus in Schule und Jugendarbeit« und »Antisemitismus in der Migrationsgesellschaft«. Zum gemeinsamen Abschluss des Tages wurden eine Initiative der »Zeit«-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius vorgestellt. »Erkennen Sie Antisemitismus im Alltag? Und wissen Sie, wie Sie reagieren könnten?«, heißt es auf stopantisemitismus.de. Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, die Zivilgesellschaft für Antisemitismus zu sensibilisieren und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen.

B’nai B’rith

»Wie eine große Familie«

Delegierte aus 20 Ländern kamen zusammen, um sich eine neue Organisationsstruktur zu geben

von Ralf Balke  03.11.2025

Berlin

Jüdische Gemeinde erinnert an November-Pogrome

Zum 87. Jahrestag der NS-November-Pogrome von 1938 werden am Sonntag ganztägig die Namen der im Holocaust ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden vorgelesen. Bei einem Gedenken am Abend wird Berlins Regierender Bürgermeister sprechen

 03.11.2025

Gedenkstätten

Gedenkzeichen für jüdische Ravensbrück-Häftlinge

Zur feierlichen Enthüllung werden unter anderem Zentralratspräsident Josef Schuster, die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle (SPD) und der Beauftragte für Erinnerungskultur beim Kulturstaatsminister, Robin Mishra, erwartet

 03.11.2025

Porträt der Woche

Zufluchtsort Musik

Naomi Shamban ist Pianistin, lebt in Dresden und hat eine Schwäche für Märchenfilme

von Alicia Rust  03.11.2025

Wittenberg

Judaistin kuratiert Bildungsort zur Schmähplastik

Die Darstellung der sogenannten »Judensau« an der Wittenberger Stadtkirche, der früheren Predigtkirche des Reformators Martin Luther (1483-1546), gehört in Deutschland zu den bekanntesten antisemitischen Darstellungen des Mittelalters

 02.11.2025

Hund, Katze & Co

Beste Freunde

Wenn Tiere Familie werden: Gemeindemitglieder erzählen vom leisen oder lauten Glück, mit Vierbeinern zu leben

von Christine Schmitt  02.11.2025

Berlin

Parfüm mit Geschichte

Das israelische Label Zielinski & Rozen stellte seine Duftkollektion vor, die 1905 in Jaffa kreiert wurde

von Alicia Rust, Erez Zielinski Rozen, Gemeinde Berlin, Parfüm  02.11.2025

Feier

Zusammenhalt und Zuversicht

Die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern lud zum Neujahrsempfang in den Hubert-Burda-Saal

von Esther Martel  02.11.2025

Auszeichnung

Die Frau mit den Blumen

Zwei Jahre lang ging Karoline Preisler auf anti-israelische Demonstrationen, um auf das Schicksal der Geiseln aufmerksam zu machen. Jetzt erhält sie den Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden

von Michael Thaidigsmann  02.11.2025