Es bleibt eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in München seit dem Ende des nationalsozialistischen Terrors: Am 13. Februar 1970 wurden im jüdischen Gemeindehaus in der Reichenbachstraße 27 bei einem Brandanschlag sieben Menschen ermordet. Das kaltblütige Attentat, bei dem das gesamte Treppenhaus mit Benzin übergossen und angezündet wurde, rief damals die schrecklichsten Erinnerungen an die Novemberpogrome 1938 wieder wach.
Die Bewohner des IKG-Seniorenheims, das im damaligen Gemeindehaus untergebracht war, hatten das Menschheitsverbrechen des Holocaust überlebt und sich trotz allem dafür entschieden, in München ihren Lebensabend zu verbringen. Ihre Namen waren in der Gemeinde wohlbekannt: Regina Rivka Becher, Max Meir Blum, Leopold Arie Leib Gimpel, Dawid Jakubowicz, Siegfried Offenbacher, Georg Eljakim Pfau und seine Frau Rosa Drucker. Unbekannt hingegen sind bis heute die Täter. Die Staatsanwaltschaft vermutet sie im links-extremistischen Umfeld.
Bei den Olympischen Spielen 1972 sollte der Terror schließlich einen ersten mörderischen Höhepunkt finden
Die Tat zeigte schon vor über einem halben Jahrhundert die neue Bedrohungslage für die jüdische Gemeinschaft, die nicht nur von rechts kam und kommt. Auch Terroristen aus dem Ausland wurden hinter der Tat vermutet. Nur drei Tage zuvor hatten palästinensische Terroristen auf dem Flughafen München-Riem versucht, eine Maschine der israelischen Fluggesellschaft EL AL zu entführen, und dabei den Passagier Arie Katzenstein getötet. Bei den Olympischen Spielen 1972 sollte der Terror schließlich einen ersten mörderischen Höhepunkt finden.
»Und er fand damit nicht sein Ende«, wie die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) Charlotte Knobloch in ihrem Grußwort zur Gedenkveranstaltung im Gemeindezentrum am Jakobsplatz hervorhob. »Der Judenhass kommt nicht aus dem Nichts. Er war immer da, ob aus den rechtsextremen, aber eben auch aus linksextremen und muslimischen Milieus. Es zieht sich eine blutige Spur von damals bis zum 7. Oktober 2023.«
In der nichtjüdischen Öffentlichkeit war der Anschlag in der Reichenbachstraße lange Zeit vergessen oder überhaupt nicht bekannt. Es war erst der Initiative des Kabarettisten Christian Springer zu verdanken, dass 2020, ein halbes Jahrhundert nach der Tat, die Landeshauptstadt zu einer Gedenkveranstaltung ins Alte Rathaus einlud. Springers Wut und Empörung über das Vergessen waren auch seinem Geleitwort am diesjährigen 13. Februar anzumerken: »Das ewige Vergessen und Wegschauen – das widert mich an.«
Eingeladen war an diesem Abend auch der Autor Christof Weigold, der den Brandanschlag in seinem Roman Das brennende Gewissen als historischen Krimi verarbeitet hat. »Vielleicht braucht es eine Auflösung des Falls in unserem Denken, auch wenn die Realität uns keine bietet«, meinte Weigold in der Hoffnung, ein neues Erinnern anstoßen zu können. Die Lesung aus seinem Buch verdeutlichte Weigolds genaue Vertrautheit mit dem Fall und den möglichen Tätermilieus.
Der Wunsch, den Opfern im und durch den Roman eine Stimme zu geben, zeigte sich nicht zuletzt in einer beklemmenden Szene, die die historisch bezeugten Rufe des vom Feuer im Dachgeschoss eingeschlossenen Max Blum in seinen letzten Momenten dokumentiert.
Das besondere Gedenken, das am 55. Jahrestag in Verbindung mit dem Münchner Krimifestival stattfand, wurde ermöglicht durch Ellen Presser vom Kulturzentrum der IKG und Festival-Leiterin Sabine Thomas.