Es ist europaweit einmalig, was Dresdner Musiker geschaffen haben. Sie spielen Kompositionen von jüdischen Künstlern, deren Werke seit den 30er- und 40er-Jahren als verschollen galten und erst vor wenigen Jahren wiederentdeckt wurden. Entstanden ist so die Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden. In diesem Jahr feiert sie ihr fünfjähriges Jubiläum.
Gegründet haben es der aus Dresden stammende mittlerweile pensionierte frühere Manager Claus-Dieter Heinze und der Amerikaner Michael Hurshell. Die Bilanz kann sich sehen lassen. Bis heute wurden 40 Werke von 16 jüdischen Komponisten aufgeführt. Entstanden ist die Idee zu einer Jüdischen Kammerphilharmonie durch einen Zufall.
Emigranten Beim Festival »Dreiklang« spielte die Slowakischen Staatskapelle 2004 Konzertsuiten von Filmmusiken jüdischer Komponisten, die während der NS-Zeit vertrieben wurden. Diese Musiker gingen in die USA nach Hollywood. Einer von ihnen war Franz Waxman, der 1933 geflohen war und in Los Angeles lebte. Er war mit fast 200 Filmmusiken ein bedeutender Filmkomponist und Dirigent. Hurshell wunderte sich damals: »Dieser Name war dem Publikum völlig unbekannt.«
Drei Jahre nach dem Auftritt traf Hurshell mit Heinze zusammen. Beide stellten sich die Frage, wer in Deutschland noch die Musik der vergessenen jüdischen Komponisten spielte. Es gab niemanden. Sie wollten jedoch diese Musik wiederaufführen, und die Idee von der Neuen Jüdischen Philharmonie war geboren. Hurshell kümmerte sich um die musikalische Leitung und Heinze um die Organisation, die Finanzen und die Sponsorensuche.
Filmmusik Sie spielten Frank Schreker, Sohn eines jüdischen Hoffotografen aus Österreich, Miklós Rózsa, der in Ungarn geboren wurde und Orchester-, Kammer- sowie Filmmusik komponierte. Von ihm stammt die Musik zum Klassiker Ben Hur. Nicht vergessen werden darf Pavel Haas aus Brünn, der in den 20er-Jahren Bühnenmusik und später Auftragswerke für renommierte Ensembles komponierte und von den Nazis in Auschwitz ermordet wurde.
Es sei gar nicht einfach gewesen, ein Orchester zu gründen, das die Werke der jüdischen Komponisten spielte, sagt Hurshell. Er habe in den Gemeinden nach jüdischen Musikern gesucht und nicht gefunden. Die ersten Musiker seien von der Dresdner Philharmonie gekommen und hätten den Stein ins Rollen gebracht. Mittlerweile spielen auch Musiker der Sächsischen Staatskapelle und des MDR-Sinfonieorchesters mit.
Pro Jahr gibt die Neue Jüdische Kammerphilharmonie Dresden durchschnittlich acht Konzerte. Musikalisch seien die Kompositionen zwischen der Spätromantik und der frühen Moderne einzuordnen, erklärt der Dirigent.