Bei ehrenamtlicher Arbeit geht es manchmal nur um kleinteilige Dinge – und dennoch ist das Ganze von unschätzbarem Wert. Wenn zum Beispiel beim Besuchsdienst für die Senioren ein Gespräch ausreichen kann, damit sich eine Person nicht länger einsam fühlt. Auch wenn ein wenig Computerkenntnisse oder etwas Hilfestellung beim Dolmetschen genügen, um anderen den Alltag zu erleichtern, merkt man, wie bereits kleine Gesten der Unterstützung eine große Wirkung entfalten können. Vor allem aber bedeutet ehrenamtliche Arbeit eines: sich selbst zurückzunehmen, die eigenen Interessen unterzuordnen und für andere da zu sein.
Um all denjenigen dafür zu danken, dass sie für andere immer wieder da waren, wird alljährlich in der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) in der Chanukkazeit das Engagement von Ehrenamtlichen gefeiert, so auch dieser Tage mit einem fröhlichen Fest im Hubert-Burda-Saal. »Ich freue mich sehr, dass wieder einmal der Moment gekommen ist, in dem wir Sie in den Mittelpunkt stellen«, verkündete IKG-Präsidentin Charlotte Knobloch in ihrer Ansprache.
Angebotspalette für ehrenamtliche Tätigkeiten
Seit 2003 existiert in der IKG eine Angebotspalette für ehrenamtliche Tätigkeiten. Damals interessierten sich dafür gerade einmal rund 20 Personen. Heute dagegen zählt man mehr als 170 Engagierte, die in der Kultusgemeinde aktiv sind. Ihre Koordination leistet Tatyana Makhova in der Sozialabteilung. Einige von ihnen sind bereits im Rentenalter – aber kaum jemand im Ruhestand.
Um ihr Engagement zu würdigen, war auch der Gemeindevorstand gekommen. Ariel Kligman rezitierte ein Gedicht, das einer der Ehrenamtlichen geschrieben hatte: »Sie geben ein Zehntel«, und zwar so, wie es die Tora verlangt, heißt es darin. Und das, »ohne Dankbarkeit dafür zu erwarten«. Ehemalige und noch tätige Ingenieure, Lehrer und Professoren seien in ihrer Arbeit nun einfach »Menschen, die ihrem Herzen folgen«. Vorgetragen wurde das Gedicht auf Deutsch und Russisch. Denn viele von denen, die sich heute in einem solchen Ehrenamt engagieren, stammen aus der ehemaligen Sowjetunion.
Viele von denen, die sich für andere einsetzen, stammen aus der ehemaligen Sowjetunion.
Eine ganz konkrete Bedeutung kommt deshalb auch dem Austausch im eigens dafür eingerichteten Sprachcafé zu, weil sich eine neue Sprache am besten außerhalb des Unterrichts im lebendigen Gespräch erlernen lässt.
Das seit 2016 bestehende Café Zelig will dagegen vor allem einen Ort der Begegnung für Schoa-Überlebende schaffen, die viel zu oft von Vereinsamung bedroht sind. In der neuen Zaidman-Seniorenresidenz kommen im Seniorentreff »Mifgasch Chaverim«, mit viel Herzblut von Talia Presser, Karolina Shleyher und ihren Kolleginnen gemanagt, Menschen aus dem Haus selbst und von außerhalb zusammen.
Auch in der Kulturabteilung der IKG unter Leitung von Ellen Presser könnte das umfangreiche Programm in seiner jetzigen Form ohne die Hilfe von Ehrenamtlichen wohl kaum angeboten werden. Und schließlich ist da auch noch die Chewra Kadischa, die im Stillen für die rituelle Vorbereitung der Verstorbenen vor dem Begräbnis zuständig ist – auch ihre Arbeit beruht auf dem Ehrenamt.
Stets auf der Suche nach neuen Freiwilligen
Rechnet man all die Stunden der Ehrenamtlichen zusammen, so waren sie im vergangenen Jahr mehr als 560 Tage tätig. »Es gibt immer viel zu tun, und jeder ist willkommen mitzuhelfen«, erklärt Olga Albrandt, die Leiterin der Sozialabteilung. Sie selbst ist seit den ersten Tagen mit dabei und auch heute noch stets auf der Suche nach neuen Freiwilligen, die das Team verstärken – »der Einstieg ist ganz niederschwellig möglich«.
Neu hinzugekommen sei im vergangenen Jahr das Postpatenprojekt des Landkreises München, an dem sich für die Gemeinde gleich zwei Postpaten beteiligen, die älteren Menschen bei der Erledigung wichtiger Briefpost helfen. Zu Pessach ist die Zusammenstellung der entsprechenden Feiertagspakete, die seit vielen Jahren komplett ehrenamtlich mit Unterstützung der Mitzwe Makers erfolgt, ein fester Termin im Kalender. »Natürlich brauchen auch Pflegebedürftige unsere Unterstützung«, betont Albrandt.
Als kleines Dankeschön organisiert die Sozialabteilung jährlich einen Ausflug mit den Ehrenamtlichen, dieses Mal ging es im Rahmen einer Donau-Tour per Schiff nach Regensburg. Koordinatorin Tatyana Makhova leitet außerdem den Wanderklub der Abteilung. Mit über einem Dutzend Ausflügen zu Wanderzielen im Münchner Umland wurden die Wanderlustigen die vergangenen Monate bestens »versorgt«.
»Ab und zu muss man sich Zeit für sie nehmen, muss sie in Ruhe betrachten«
IKG-Präsidentin Knobloch machte auf der jüngsten Festveranstaltung deutlich, dass die Stellung der ehrenamtlich Tätigen innerhalb der Gemeinde einzigartig sei. »Die Feier für die Ehrenamtlichen ist wie der Moment, an dem man ein vertrautes Kästchen öffnet, worin die Schätze aufbewahrt sind.« Man wisse die ganze Zeit, dass sie da sind, und glaube, sie bestens zu kennen. »Aber ab und zu muss man sich Zeit für sie nehmen, muss sie in Ruhe betrachten – dann erneuert sich ganz von selbst die Freude darüber. Und auch die Dankbarkeit für diese Kostbarkeiten!«
Dabei verwies Knobloch noch einmal ausdrücklich auf die Bedeutung der Ehrenamtlichen für den Zusammenhalt in der Gemeinde. Eine wirkliche Bindung sei ihren Erfahrungen zufolge nur auf freiwilliger Basis möglich, weshalb diese zu den Grundlagen der jüdischen Religion und Tradition gehöre. »Wir sind immer stärker, wenn wir zusammenhalten. Sie, liebe Ehrenamtliche, sind darin ein leuchtendes Vorbild!«