München

»Dauerhafte Verantwortung«

Zum 77. Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau wurde in der Haimhauserstraße 1, nahe der Münchner Freiheit, ein Erinnerungszeichen für Flora und Siegfried Wilmersdörfer gesetzt. Die Initiative dafür kam von Edith Römer, deren Vater ein Cousin des Ermordeten war. Sichtlich bewegt nahm sie in Begleitung ihres Enkels Nils an der Zeremonie teil.

Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Bündnis 90/Die Grünen) ging in ihrer Ansprache auf das Widersinnige der NS-Zeit ein: »Flora und Siegfried Wilmersdörfer gehörten zu dieser Nachbarschaft hier in der Haimhauserstraße. Sie waren geachtete Bürger, als Juden fest in Deutschland und seiner Kultur verwurzelt.«

katastrophe Und dann kippte für sie alles in eine Katastrophe, wie die Repräsentantin der Stadt weiter ausführte: »Ab 1933 erlitten sie Entrechtung und Ausgrenzung, Demütigung und vollständige Beraubung.« Der hoch dekorierte ehemalige Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg, Siegfried Wilmersdörfer, verlor nicht nur seine gut gehende Webwarengroßhandlung, sondern seine Gesundheit und sein Vermögen durch Abgabe einer erzwungenen Vollmacht in der vierwöchigen Haft im KZ Dachau Ende 1938.

Das Paar versuchte, sich ausgerechnet auf der »St. Louis« zu retten. Weil es weder in Kuba noch New York Einlass gab, landeten die beiden nach einer Irrfahrt schließlich in Belgien. Als die Deutschen einmarschierten, war es für den herzkranken Siegfried Wilmersdörfer zu viel. Er starb 1941, seine Witwe Flora versuchte unterzutauchen. Ihre Internierung am 18. Mai 1943 in Mechelen war die Folge eines Verrats, dem die Deportation am 31. Juli 1943 nach Auschwitz und ihre Ermordung vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft folgten.

web-app Habenschaden sprach von der »dauerhaften Verantwortung gegenüber allen Opfern der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik«. Dazu würden für die Landeshauptstadt München vielfältige Projekte gehören, ganz aktuell die Einrichtung einer Web-App mit einer Routenfunktion, in der die Erinnerungszeichen digital erfahrbar werden. Künftig kann man über spezielle Filterfunktionen gezielt nach Personen und Standorten suchen. Den Anfang macht das Schicksal der Familie Wilmersdörfer.

Barbara Hutzelmann von der Koordinierungsstelle fand einiges über die zutiefst bayrisch-jüdische Familie heraus, die regelmäßig in die Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße ging. Und so passte es, dass in Anlehnung an die Nummerierung der Erinnerungszeichen 115 und 116 aus dem Psalm 116 zitiert wurde: »Mich umfingen des Todes Bande, und Angst der Hölle traf mich, Not und Kummer fand ich«. Mehr als 160 Anträge für weitere Erinnerungszeichen liegen dem Kulturreferat vor.

Forschung

Vom »Wandergeist« einer Sprache

Die Wissenschaftlerinnen Efrat Gal-Ed und Daria Vakhrushova stellten in München eine zehnbändige Jiddistik-Reihe vor

von Helen Richter  14.01.2025

Nachruf

Trauer um Liam Rickertsen

Der langjährige Vorsitzende von »Sukkat Schalom« erlag seinem Krebsleiden. Er war ein bescheidener, leiser und detailverliebter Mensch

von Christine Schmitt  14.01.2025

Porträt der Woche

Keine Kompromisse

Rainer R. Mueller lebt für die Lyrik – erst spät erfuhr er von seiner jüdischen Herkunft

von Matthias Messmer  12.01.2025

Familien-Schabbat

Für den Zusammenhalt

In den Synagogen der Stadt können Kinder und Eltern gemeinsam feiern. Unterstützung bekommen sie nun von Madrichim aus dem Jugendzentrum »Olam«

von Christine Schmitt  12.01.2025

Köln

Jüdischer Karnevalsverein freut sich über großen Zulauf

In der vergangenen Session traten 50 Neumitglieder dem 2017 gegründeten Karnevalsverein bei

 11.01.2025

Vorsätze

Alles neu macht der Januar

Vier Wochen Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes? Oder alles wie immer? Wir haben Jüdinnen und Juden gefragt, wie sie ihr Jahr begonnen haben und ob sie auf etwas verzichten

von Brigitte Jähnigen, Christine Schmitt, Katrin Richter  09.01.2025

Würdigung

»Vom Engagement erzählen«

Am 10. Januar laden Bundespräsident Steinmeier und seine Frau zum Neujahrsempfang. Auch die JSUD-Inklusionsbeauftragte Jana Kelerman ist dabei

von Katrin Richter  09.01.2025

Gedenktag

Uraufführung mit den »Violins of Hope«

Ein besonderes Konzert anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz hat sich das Rundfunk-Sinfonieorchester vorgenommen. Es interpretiert ein Werk für die Geigen, die die Schoa überstanden haben

von Christine Schmitt  08.01.2025

Universität

Preise der »World Union of Jewish Students« in Berlin vergeben

Die weltweite Vertretung jüdischer Studierender hat ihr 100-jähriges Bestehen gefeiert und besonders verdienstvolle Personen und Verbände ausgezeichnet

 07.01.2025