#2021JID

»Das Verhältnis entkrampfen«

Virtuelle Diskussionsrunde zu »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« Foto: Screenshot

Als Anastassia Pletoukhina in diesem Jahr ihren alten Wohnort Lübeck besuchte, war sie überrascht: Selbst in dieser eher betulichen Stadt hingen große Plakate für Veranstaltungen im Rahmen des Jubiläums »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«. Als für 2021 gleich ein ganzes Jahr im Zeichen des hiesigen Judentums ausgerufen wurde, wusste sie noch nicht so recht, was sie erwarten solle. Heute fällt ihr Fazit positiv aus: »Das Themenjahr hat auch kleinen Orten einen Anlass gegeben, sich mit dem Judentum auseinanderzusetzen.«

Pletoukhina ist Direktorin der jüdischen Bildungsorganisation »Nevatim« und war eine von fünf Gästen, die vergangenen Donnerstag via Zoom-Gespräch das deutsch-jüdische Veranstaltungsjahr Revue passieren ließen – kein leichtes Unterfangen bei mehr als 2000 Konzerten, Vorträgen und Lesungen im gesamten Bundesgebiet. Die Journalistin Shelly Kupferberg moderierte das Gespräch und fügte die unterschiedlichen Eindrücke der Gäste zu einem Gesamtbild zusammen.

beziehungen Eine ihrer Fragen: Wie hat das Themenjahr die deutsch-jüdischen Beziehungen verändert? Andrei Kovacs hofft, dass die Veranstaltungen der vergangenen Monate dazu beitragen konnten, das Verhältnis zwischen Juden und Nichtjuden zu »entkrampfen«. Er will »mehr nichtjüdische Menschen für das Judentum interessieren und den jüdischen Menschen mehr Selbstbewusstsein geben, in die Öffentlichkeit zu treten«. Kovacs ist Leitender Geschäftsführer des Vereins »321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, der an der Organisation und Koordination des Festjahres maßgeblich beteiligt war.

Meron Mendel äußerte in der Zoom-Runde einen ähnlichen Gedanken. Ihn habe es nachdenklich gestimmt, dass die Initiative für das Jubiläumsjahr aus der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft und nicht aus der jüdischen Community gekommen sei. »Warum sind wir nicht selbst darauf gekommen, die deutsch-jüdische Geschichte auch einmal positiv aufzugreifen?«, fragte der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank.

Einig waren sich aber alle Teilnehmer darüber, dass es ein großes Glück ist, dass trotz Corona so viele Veranstaltungen stattfinden konnten.

Wer sich über die Geschichte der Juden auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands informieren möchte, kann sich übrigens den im Auftrag des Vereins 321 entstandenen Kurzfilm 1700 Jahre – Momentaufnahmen jüdischen Lebens in Deutschland ansehen. Das Video ist in 2D und 3D kostenfrei auf den üblichen Videoplattformen zugänglich.

bedenken Bedenken an der historischen Rahmung des Veranstaltungsjahres meldete Sharon Adler an, Publizistin und Vorstandsmitglied der »Stiftung Zurückgeben«. Der Anlass für das Jubiläum war der Jahrestag eines Edikts des Römischen Kaisers Konstantin vom 11. Dezember 321, das es dem Stadtrat von Köln erlaubte, auch Juden in seine Reihen aufzunehmen. Das ist der erste Hinweis auf jüdisches Leben in einer Gegend, die heute zu Deutschland gehört. Adler erinnert daran, dass es sich hier nicht um ein jüdisches Selbstzeugnis handelt, und daher auch die Frage offenbleibe, ob dieses Ereignis aus jüdischer Sicht tatsächlich ein Grund zum Feiern sei.

Dekel Peretz, Vorsitzender des Jüdischen Zentrums Synagoge Fraenkelufer e.V. und fünfter Gast in der Runde, glaubt dagegen, »das Edikt könnte eine Art Inspiration für uns heutige Juden sein, mehr Verantwortung in Politik und Gesellschaft zu übernehmen«.

Einig waren sich aber alle Teilnehmer darüber, dass es ein großes Glück ist, dass trotz Corona so viele Veranstaltungen stattfinden konnten. Weil dennoch einiges ausfallen musste und der Anklang so groß war, soll das Themenjahr noch bis zum Sommer 2022 verlängert werden. Wer es bisher verpasst hat, bekommt also noch einige Gelegenheiten.

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