Prostitution und Mädchenhandel –um solch brisante Themen müssen sich die heutigen jüdischen Frauenvereine und deren Dachorganisation, der Jüdische Frauenbund, in Deutschland glücklicherweise nur noch selten kümmern.
Im Jahr 1907 sah das anders aus: Damals eröffnete die Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim, die bereits 1904 den Jüdischen Frauenbund gegründet hatte, im nahe Frankfurt gelegenen Neu-Isenburg ein »Heim für gefährdete weibliche Jugendliche jüdischen Glaubens«. Bis zur Zwangsauflösung durch die Nazis 1942 lebten dort Schwangere, ledige Mütter mit ihren Kindern, junge Prostituierte, Waisen, verwahrloste Kinder und Straffällige.
Auch der bereits 1875 gegründete »Israelitische Frauenverein Chemnitz« widmete sich besonders der sozialen Unterstützung von in existenzielle Not geratenen Frauen und Mädchen.
Soziales Engagement Seither hat sich vieles zum Besseren gewandelt. Doch allem gesellschaftlichen Fortschritt und der wirkungsvollen Hilfe der Fürsorge-Abteilungen der jüdischen Gemeinden zum Trotz: Die Arbeit geht den jüdischen Frauenvereinigungen nicht aus. So ist etwa der jüdische Frauenverein Ruth nach eigenen Angaben der »einzige sozialtätige Verein für bedürftige jüdische Menschen in München«. Das soziale Engagement beginnt bei Geld- und Sachzuwendungen und führt über Kranken- und Seniorenheimbesuche bis hin zu Hilfestellungen bei Behörden und Ämtern sowie wöchentlichen Sprechstunden.
Als eine der zentralen Aufgaben des deutschlandweit agierenden Jüdischen Frauenbundes sieht dessen Vorsitzende, die Frankfurterin Cornelia Maimon-Levi, heute das Thema Integration. Konsequent, dass die Zeitschrift des Frauenbundes, Chaweroth, zweisprachig auf Deutsch und Russisch erscheint.
Kleine Gemeinden »Vor allem in den kleinen Gemeinden, die hauptsächlich aus Zuwanderern bestehen, sind es die Frauenvereine, die das jüdische Gemeindeleben organisieren«, weiß Maimon-Levi. Neben Veranstaltungen zu den Feiertagen stünden auch viele Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung auf dem Programm. »Die russischen Juden müssen zu ihren religiösen Wurzeln finden und gleichzeitig ihre neue Heimat kennenlernen.«
Mit den Zuwanderern sind auch deren Traditionen in die Gemeinden gekommen. Den in der Sowjetunion hoch gehaltenen Frauentag am 8. März feiern die russischsprachigen Frauen der westdeutschen Gemeinden auch heute noch.
Auch Shaul Nekrich, Landesrabbiner der jüdischen Gemeinden in Brandenburg, hat sich mit dem Thema befasst und schreibt dazu in Chaweroth: »Wenn sich jeder Mann die Ratschläge unserer Weisen zu Herzen nimmt, verliert das Feiern des Frauentages einmal pro Jahr jeden Sinn. Denn der 8. März findet dann jeden Tag statt.« Schließlich verpflichte die Tora den Ehemann unter anderem, seiner Frau Kleider und Schmuck zu kaufen.
Angebote Dass sich die Frauenvereine aber längst nicht nur mit der Zuwanderung und ihren Auswirkungen beschäftigen, zeigt die Liste der vom Frauenbund finanziell geförderten Projekte. So hat der Frauenverein der Synagogen-Gemeinde Bonn beispielsweise einen Ausflug nach Belgien organisiert, die Dessauerinnen haben ein Seminar zur Rolle der Frauen im Judentum veranstaltet, der Frauenverein Berlin hat die Fotoausstellung »Waldbrand in Haifa« auf die Beine gestellt, und der Jüdische Frauenverein Dresden hat vergangenen Monat die Ausstellung »Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt« eröffnet. Anlass war die vor 50 Jahren erstmalig an Retter verfolgter Juden verliehene Ehrung als »Gerechte unter den Völkern« durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem.
Eine Themenvielfalt mit Sinn und Zweck. »Wir wollen, dass die Frauen in der Gemeinde nicht nur als Köchinnen und Tischdeckerinnen gesehen werden«, verweist Maimon-Levi auch auf die emanzipatorischen Grundsätze der Frauenvereine.
Nachwuchsprobleme Ein zentrales Problem der Vereine ist das fehlende Engagement junger Frauen. »Das Durchschnittsalter in diesen Organisationen ist leider sehr hoch«, sagt Maimon-Levi und gesteht freimütig ein: »Wir haben Nachwuchsprobleme!« Mit Hochachtung beobachte sie deshalb die Arbeit der Women’s International Zionist Organisation (WIZO), der es in den vergangenen Jahren gelungen sei, »die jüngere Generation heranzuziehen«.
Von der WIZO will auch der Frauenbund lernen – und sich verstärkt »jüngeren Themen« zuwenden. So soll etwa die Frage nach der »Vernetzung im Beruf« Gegenstand von Veranstaltungen werden, nennt Maimon-Levi ein Beispiel: »Das ist für junge Frauen ein wichtiges und relevantes Thema.«
themenabende Vielleicht liegt es an Themenabenden wie »Rosch Chodesch goes Relaxing«, bei dem Wellness- und Entspannungstipps gegeben werden, dass der Altersdurchschnitt bei Veranstaltungen der Offenbacher Frauen-Initiative niedriger ist als in anderen Vereinigungen. Die Gruppe mit der hübschen Abkürzung JOFI ist Teil der Jüdischen Gemeinde Offenbach. »Wir haben JOFI im Jahr 2010 aus der Idee heraus gegründet, Frauen zusammenbringen und unsere Traditionen pflegen zu wollen«, sagt Cecilia Rosner. Sie lebt seit 1974 in Offenbach und ist eine engagierte JOFI-Frau.
Jährlicher Höhepunkt ist neben den Rosch-Chodesch-Veranstaltungen der »JOFI-Frauentag«. In diesem Jahr stand er unter dem Motto »Frauen erhellen die Welt!«, zum Programm gehörten Lieder, Tanz und Inspiration. »Wir wollen jüdisches Leben gemeinsam gestalten, aus Sicht der modernen Frau von heute, unter Einbindung von Religion und Tradition«, sagt Rosner. Zum Modernsein gehört für JOFI auch, Interessierte über Facebook auf dem Laufenden zu halten. Ein Kommunikationsweg, mit dem auch die »Young WIZO«, die Nachwuchsorganisation der WIZO, gute Erfahrungen macht.