Frau Kildeeva, was steckt hinter der Jüdischen Campus-Woche?
2019 fand die Jüdische Campus-Woche zum ersten Mal an acht Standorten deutschlandweit statt. Zuvor war auf einer unserer Vollversammlungen ein Antrag genehmigt worden, dass man jüdisches Leben am Campus sichtbarer machen soll. So entstand die Idee zu dieser Projektwoche. Oftmals wird Judentum auch unter Studierenden nur mit dem Holocaust oder Israel in Verbindung gebracht. Davon wollen wir wegkommen, weil das Judentum viel diverser ist, viel mehr zu bieten hat. Wir möchten das lebendige jüdische Leben in den Vordergrund rücken und zeigen, dass Judentum an deutschen Universitäten präsent und divers lebhaft ist.
Wie wurde die Woche organisiert?
Wir von der JSUD koordinieren, helfen bei organisatorischen Problemen und bei Ideen, beantragen Gelder. Die eigentliche Umsetzung und Gestaltung ist Aufgabe der regionalen Strukturen, also der regionalen jüdischen Verbände und Hochschulgruppen, mit denen wir dankbar kooperieren.
Wo fanden welche Veranstaltungen statt?
In insgesamt 16 Städten. Besonders aktiv waren zum Beispiel die Regionalverbände BJSB, VJSNord und VJSH. In Hamburg und Göttingen gab es sehr interessante Veranstaltungen, ebenso in Heidelberg und Frankfurt. Alles ist natürlich abhängig von den Kapazitäten. Es gab Koscher Wine Tasting, Synagogenführungen, Filmvorführungen mit dem zurzeit wohl bekanntesten Film mit jüdischer Thematik »Masel Tov Cocktail«, diverse Vorträge, etwa zu Feminismus im Judentum, oder auch ein Gespräch mit dem Antisemitismusbeauftragten von Hamburg – um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wie war die Resonanz?
Die ersten Eindrücke sind sehr positiv seitens der Studierenden. Verschiedene Standorte haben zurückgemeldet, dass die Menschen sehr interessiert waren, sie sehr aktiv etwas vom Judentum und jüdischem Leben wissen wollten. In Bielefeld, wo ich studiere, hatten wir einen jungen Mann, der sich eine Kippa mitgenommen hatte und sich direkt aufsetzte, während er weiter durch die Unihalle ging. Natürlich hat man auch immer wieder Menschen, die wissentlich oder unwissentlich Antisemitismus mit sich tragen, weil sie irgendwo eine Doku gesehen haben zu Israel, und dann zum Beispiel antizionistisch eingestellt sind. Solche gibt es, aber der Großteil der Erfahrungen war gut.
Wird es 2022 wieder eine Jüdische Campus-Woche geben?
Prinzipiell möchten wir gerne, dass sie jährlich stattfindet, für das nächste Jahr ist sie wieder in Planung. Unser Ziel ist, dass man durch persönliche Begegnungen direkte Vorurteile abbaut und Präsenz zeigt. Also durch Veranstaltungen, die nicht online stattfinden.
Welche Entwicklung sehen Sie bislang?
Ich glaube, beim ersten Mal hat man versucht, sich einzufinden und dementsprechend die Veranstaltungen gestaltet. Da gab es mehr Info-Stände und weniger große Veranstaltungen. Das lag aber auch daran, dass wir da weniger finanzielle Mittel hatten, weswegen auch weniger auf die Beine gestellt wurde. Jetzt hatten wir durch die Stiftung »Erinnerung, Verantwortung, Zukunft« eine starke finanzielle Unterstützung. Dadurch war das Programm umfangreicher und vielfältiger. Wir konnten mehr greifbareres Wissen mitgeben und Vorträge mit Persönlichkeiten anbieten.
Wie blicken Sie auf die Jüdische Campuswoche?
Ich blicke sehr optimistisch in die Zukunft im allgemeinen und denke, dass wir auch durch mehr Minderheitenkoalitionen und genau solche Veranstaltungen wie die Campus-Woche gemeinsam viel erreichen können für eine offenere und plural gemeinschaftliche Gesellschaft. Ein großer Dank geht an unsere Geschäftsführerin Noa Luft und an unsere Programmdirektion Rosa Lyenska, da sie enorm viel Arbeit im Hintergrund geleistet haben, um die Jüdische Campus-Woche stattfinden zu lassen.
Mit der Vorständlerin sowie Schatzmeisterin der Jüdischen Studierendenunion Deutschland (JSUD) und Mitinitiatorin der Jüdischen Campus-Woche sprach Annette Kanis.