Louis Lewandowski Festival

»Das ist meine Tradition«

Kantor Isaac Sheffer Foto: Uwe Steinert

Louis Lewandowski Festival

»Das ist meine Tradition«

Kantor Isaac Sheffer über liturgische Experimente und eigene Akzente

von Katharina Schmidt-Hirschfelder  12.12.2017 11:20 Uhr

Herr Sheffer, was fasziniert Sie an Louis Lewandowski?
Lewandowski war für mich der Schlüssel als Kantor: Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem Oper eine große Rolle spielte. Als Opernsänger habe ich mich der Musik immer über den Text angenähert. In der Synagoge ist das ganz ähnlich – das Gebet bestimmt die Musik, nicht umgekehrt. Das hat es mir so leicht gemacht, Lewandowskis Kompositionen zu lieben.

Die Synagoge Pestalozzistraße setzt mit Lewandowskis Kompositionen die Liturgie aus der Neuen Synagoge fort. Wie sehr kommt Ihnen diese Tradition entgegen?
Lewandowski ist bei uns immer präsent. Woche für Woche, jeden Freitag und Samstag und an allen Feiertagen, haben wir zudem das Privileg eines Profi-Chors – unsere Sänger gehören verschiedenen Berliner Opernchören an oder arbeiten freiberuflich als Solisten. Im Zusammenspiel zwischen Kantor, Gemeinde, Chor und Orgel wird der Gottesdienst zu einem musikalischen Ereignis – das entspricht meinem ganzen Wesen auf wunderbare Art und Weise.

Wie ist die Idee zum Louis Lewandowski Festival entstanden?
Regina Yantian und ich wollten vor ein paar Jahren eine CD einspielen – um diese Tradition festzuhalten und weiterzugeben. Also gründeten wir 2007 einen Verein: das Synagogal Ensemble Berlin. Gabbai Heinz Rothholz und Nils Busch-Petersen, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg, hatten dann vor sieben Jahren die Idee, dieses Festival zu gründen und Chöre aus aller Welt einzuladen.

An welchem Punkt ist das Festival heute?
Es hat an Ausstrahlungskraft hinzugewonnen – mit Chören aus Südafrika, Italien, Israel, Schweden, Großbritannien, Polen und den USA. Auch das Synagogal Ensemble Berlin trägt Lewandowskis Melodien verstärkt hinaus in die Welt. Vor zwei Wochen sind wir zum Beispiel in Israel aufgetreten.

Was ist in diesem Jahr besonders am Programm, das heute beginnt?
Bisher gab es in jedem Jahr ein Motto, das sich einem bestimmten Thema der Synagogalmusik widmet, zum Beispiel »Lewandowski, Renaissance und Barock« 2016. In diesem Jahr haben wir uns jedoch wieder auf die Wurzeln besonnen. So heißt das Abschlusskonzert am Sonntag in der Rykestraße dann auch »Icke, Lewandowski«. Lewandowski pur also – so wie beim ersten Festival 2011.

Wie schon vor einem Jahr tauschen sich die Chöre experimentell im »Louis’ Lab« aus. Was ist der Hintergrund?
Bei jedem Festival haben wir es immer bedauert, nicht auch einander zuhören zu können. Das »Lab« ist eine Gelegenheit, miteinander zu singen, und kommt zugleich den Besuchern entgegen, alle Chöre an einem Ort zu erleben.

Die Konzerte finden nicht nur in den Synagogen Pestalozzi- und Rykestraße statt?
Nein, wir bringen die Synagogalmusik auch nach Oberschöneweide, Marzahn und Potsdam – ganz bewusst, um Lewandowski einem breiteren Publikum näherzubringen. Mit Erfolg! Im vergangenen Jahr war der Saal so schnell ausverkauft, dass wir in den umliegenden Restaurants um Stühle bitten mussten.

Wann sind Sie Lewandowskis Musik zum ersten Mal begegnet?
In Philadelphia in einer konservativen Synagoge. Seine Musik hat mein Herz sofort berührt. Bis dahin kannte ich nur den orthodoxen Ritus. Hinzu kam meine Ausbildung: Ich habe als Tenor an der New Israeli Opera in Tel Aviv gesungen und bin als Solist mit dem Israel Philharmonic Orchestra aufgetreten. Erst in den USA habe ich nach und nach alle Richtungen des Judentums kennengelernt. So habe ich ebenso in einem A-cappella-Männerchor in einer orthodoxen Synagoge in New York gesungen wie auch als Kantor in konservativen und liberalen Gemeinden amtiert. Diese Erfahrungen kamen mir ab 2000 als Estrongo Nachamas Nachfolger zugute.

Sicher keine leichte Aufgabe.
Es waren große Fußstapfen, aber sowohl Estrongo Nachama als auch die Beter und Gabbaim in der Pestalozzistraße haben mich von Anfang an sehr bestärkt. Das hat mir Kraft gegeben. Ganz wichtig war allen: Der Ritus sollte unbedingt beibehalten werden. Daran halte ich mich seit mittlerweile 18 Jahren.

Dennoch setzen Sie – sowohl in den Gottesdiensten als auch mit den Konzerten – eigene Akzente. Ein Widerspruch?
Ganz im Gegenteil! Ich habe immer das Gefühl: Das ist mein Zuhause, das ist meine Tradition. Es fällt mir leicht, sie weiterzuführen. Gerade weil ich in dem Moment, wenn ich auf der Bima stehe, eins bin mit dem Gebet, der Musik, der Gemeinde und zugleich im Dialog mit allen. Der Gottesdienst ist der Kern. Das Festival ist ein weiterer Baustein, um diese wunderschöne Tradition weiterzugeben. Ein weiterer ist der Kinderchor, über den Festivalleiterin Regina Yantian die jüngere Generation für diese Tradition begeistert.

Wie kann das gelingen?
Auch dadurch, dass es bei Lewandowski immer etwas Neues zu entdecken gibt. Jedesmal, wenn ich in der Pestalozzistraße singe, ist es anders. Denn ich singe nicht nur die Melodie, sondern die Worte des Gebets. Denn letztlich ist es die Melodie, die dem Gebet dient.

Mit dem Kantor der Jüdischen Gemeinde zu Berlin sprach Katharina Schmidt-Hirschfelder.

www.louis-lewandowski-festival.de

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