Anmerkung der Redaktion (2. August 2023):
Als dieser Text von Fabian Wolff in der Jüdischen Allgemeinen erschien, glaubte die Redaktion Wolffs Auskunft, er sei Jude. Inzwischen hat sich Wolffs Behauptung als unwahr herausgestellt.
Dimitri Golodni weiß nicht, wie lange er schon Schatzmeister der Jungen Union Berlin-Mitte ist – seit vier oder fünf Jahren. »Ich mache die Kasse. Über den Kauf von zehn Kugelschreibern darf ich schon mal alleine entscheiden«, sagt er über seine Tätigkeit. Dabei hat er eine ganz Handvoll Ämter: Kreisschatzmeister in der Jungen Union, Ortsschatzmeister Brandenburger Tor, Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung, abgekürzt BVV.
Golodni ist 26 Jahre alt und wurde in Odessa geboren. 1992 kam er mit seinen Eltern, seiner Schwester und seinen Großeltern nach Berlin. Es war der erste Tag, an dem die ukrainischen Grenzbeamten einen eigenen Stempel hatten.
wedding In Berlin wohnten die Golodnis zunächst in Hohenschönhausen, dann in Tiergarten, schließlich und bis heute in Wedding. Dimitri weiß nicht mehr viel von der ersten Zeit in der neuen Stadt, die nicht leicht war. Als er das erste Mal, ohne ein Wort Deutsch zu können, in den Kindergarten geschickt wurde, soll er gefragt haben, warum die da alle keine irdische Sprache sprechen, aber das weiß er auch nur aus Erzählungen.
Ausgerechnet nach Deutschland zu kommen, fiel gerade seinem Großvater schwer, der im Ghetto gewesen war. Natürlich ist auch bei Golodnis Familie in der Sowjetunion nicht viel von Religion übrig geblieben. Sie wussten immer, dass sie jüdisch waren, der Großvater feierte Pessach. Aber das war es eigentlich. In Deutschland kam es wieder zu langsamen Berührungen mit dem Judentum, weil es plötzlich die Möglichkeit dazu gab.
Dimitris ältere Schwester ging öfter in die Gemeinde, er begleitete sie dabei. In der Synagoge fand er Anschluss. Heute versucht Golodni, koscher zu leben. Die Trennung von Milch und Fleisch sorgt manchmal für Irritationen bei Außenstehenden. »Ansonsten hatte ich mit meinem Jüdischsein noch nie Probleme.«
ideen Sein politisches Interesse begann, etwas untypisch, nur indirekt in der Schule. Er war nie in der Schülervertretung oder auch nur Klassensprecher. 2006 dann der plötzliche Wunsch, sich politisch zu engagieren. Der Auslöser war für Dimitri die Schröder-Regierung: »Das ›Was‹ und vor allem das ›Wie‹ habe ich abgelehnt. Selbst gute Ideen wurden schlecht umgesetzt. Da muss es doch eine Alternative geben, habe ich mir gedacht.«
Die hat er in der Jungen Union Berlin-Mitte gefunden. Hier hatte Golodni von Anfang an das Gefühl, dass man ihm zuhört. Dabei kennt er das Klischee vom JU-Mitglied: »14-Jährige ohne Freunde, die im Anzug rumlaufen.« Es stört ihn nicht. Er hat das Gefühl, dass er hier Politik machen und dabei Spaß haben kann. Wie schwierig es ist, junge Menschen anzusprechen, weiß er.
Bei der Bundestagswahl sieht Golodni kein Thema, das alle Menschen beschäftigen würde, erst recht nicht Jugendliche: »Die interessieren sich nicht für Steuerreform und Umverteilung.« Er glaubt, dass vor allem lokale Themen entscheiden werden, auch wenn es keine Kommunalwahl ist. Mit einem Thema wie Mietenpolitik könnte man auch, und das ist für ihn überraschend, junge Menschen ansprechen.
Internet Ansonsten gibt es noch das Internet und Netzpolitik. Hier könnte man die Jüngeren erreichen, doch die CDU hat sich nicht immer positiv hervorgetan. 1994 hat Helmut Kohl auf die Frage nach Datenautobahnen verkündet, dass »für den Bau von Datenautobahnen neben dem Bund hauptsächlich die Länder zuständig« seien, und erst jüngst hat Angela Merkels Wort vom »Neuland« eher bestürzte Erheiterung bei Internet-Usern erzeugt. »Ich weiß nicht, was die Kanzlerin damit meinte, aber das spiegelt absolut nicht die Lebensrealität im Konrad-Adenauer-Haus wider«, sagt Golodni.
Vor allem hat er Angst, mit solchen Themen die älteren Wähler zu verunsichern. Es ist ihm wichtig, Mitglied in einer Volkspartei zu sein, die konservativ ist. Das heißt für Dimitri Golodni auch, Politik aus religiösen Werten heraus zu machen. Das »C« in CDU ist für ihn kein Problem: »Die Grundlage ist gleich.«
Für sich selbst sieht er eine Verbindung zwischen politischem Engagement und Jüdischsein aber nur als sehr lose. Vor allem möchte er weg von Blockgedanken, dass man als Jude konservativ, liberal, links oder rechts sein muss: »Es gibt ja schließlich genügend Juden in der SPD, die sich dort auch sehr wohl fühlen. Allein das ist doch schon der Gegenbeweis.«