Leicht hat es Noah wirklich nicht. Eigentlich ist er ja nur ein einfacher Bauer. Und da gibt Gott ihm den Auftrag, eine Arche zu bauen, um sich, die Seinen und ein Paar Tiere jeder Art vor der Sintflut zu retten. Dabei weiß Noah nicht einmal so genau, was eine Arche eigentlich ist, geschweige denn, wie man sie baut. Und als wäre das noch nicht kompliziert genug, verspotten seine Mitmenschen ihn als Spinner.
Die altbekannte Geschichte aus dem Buch Mose wurde am vergangenen Sonntag in der Jüdischen Gemeinde zu Dresden neu erzählt – als christlich-jüdische Begegnung ganz besonderer Art. Die evangelische Laienspieltruppe aus Königshain-Wiederau brachte das Kindermusical auf die Bühne des jüdischen Gemeindehauses. 30 Aufführende im Alter von vier bis 40 Jahren sangen und spielten vor großem Publikum.
Spenden Rund 150 kleine und große Zuschauer waren der Einladung des Freundeskreises Dresdner Synagoge und der jüdischen Gemeinde gefolgt. Rainer Thümmel, Vorsitzender des Freundeskreises, freute sich sichtlich über den Andrang. Schließlich warb der Verein mit der Veranstaltung nicht nur um Spenden für die Gemeinde. Er hofft außerdem, dass sich mit solchen öffentlichen Aufführungen das Gemeindezentrum als Veranstaltungsort in Dresden etabliert.
Berührungsängste mussten aber nicht beim Publikum, sondern zunächst einmal bei den Darstellern abgebaut werden. Das Ensemble aus der Nähe von Chemnitz war bis dato nämlich noch nie in einer jüdischen Gemeinde aufgetreten. Vielmehr richtet sich das Musikstück Noah und die coole Arche genau wie andere biblische Musicals der »Creativen Kirche« eigentlich an ein christliches Publikum. Die »Creative Kirche« entstand vor 20 Jahren aus der Jugendarbeit der evangelischen Kirche mit dem Ziel, die biblische Botschaft neu und auch für den Nachwuchs interessant zu präsentieren.
Projektarbeit Die Spieltruppe aus der Kirchengemeinde Königshain-Wiederau erarbeitete Noah und die coole Arche im Rahmen eines Musicalprojekts unter der Leitung der Psychologin Esther Schlimper. Rainer Thümmel sah das Stück und fand, dass die Noah-Geschichte, in witzigen Texten erzählt und in Samba-Rhythmen intoniert, sich auch für die Bühne des Dresdner Gemeindezentrums eignen würde.
Doch die Nachwuchsschauspieler waren sich zunächst unsicher: »Ihnen war der Gedanke erst einmal fremd, in einer jüdischen Gemeinde aufzutreten«, berichtet die Leiterin. Doch schließlich siegte die Neugier über die Vorbehalte. »Alle fanden den Tag gut«, so die Psychologin. Die Truppe konnte sich die Synagoge und das Gemeindehaus ansehen und wurde mit koscherem Essen aus der Gemeindeküche versorgt.
Biblische Tiere Von Zurückhaltung war bei der Aufführung dann auch nichts zu spüren: Noah, gesungen von der neunjährigen Lia Matthies, und alle Bären, Giraffen, Elefanten und Mäuse waren mit Elan bei der Sache. Ob das biblische Musical künftig öfters in jüdischen Gemeinden zu Gast sein wird, weiß die Chorleiterin aber noch nicht. »Es fehlen uns die Kontakte und Überschneidungspunkte«, räumt Esther Schlimper ein.
Die Dresdner Gemeinde als Gastgeber hatte keine Bedenken gegen das Stück. »Wir arbeiten mit mehreren christlichen Einrichtungen gut zusammen und haben da viel Erfahrung«, berichtet Verwaltungsleiterin Johanna Stoll. Man habe allerdings darauf geachtet, dass das Stück nicht missionarisch angelegt ist. »Außerdem ist die Geschichte von Noah ja auch unsere Geschichte, und ich freue mich, dass eine ganze Reihe Mitglieder unserer Gemeinde mit der ganzen Familie zum Musical gekommen sind«, betont Stoll.
»Das war für beide Seiten ein gutes Erlebnis«, fasste Rainer Thümmel zusammen, nachdem alle Darsteller zum großen Schlussbild unter dem Regenbogen auf der Bühne zusammengekommen waren. Auf die Botschaft »Liebe und Vergebung und sonst nichts« können sich eben alle einigen – insbesondere, wenn sie in fröhliche Musik zum Mitklatschen und -tanzen verpackt wird.