Makkabiade

Coole Jungs

Zum Wintersport im Juli nach Israel: Im Team Deutschland spielen Profis und Hobbycracks gemeinsam. Foto: Makkabi

Naheliegend ist der Gedanke nicht, zum Wintersport ins sommerliche Israel zu reisen. Dennoch hat Daniel Jeitner seine Eishockeyrüstung zusammengesucht. Mit ihm sind am Sonntag noch 16 weitere deutsche Eishockeyspieler ins Heilige Land geflogen. Am Mittwochabend – nach Redaktionsschluss – durfte das Team Deutschland in der »Jerusalem Arena« gegen die israelische Auswahl den Auftakt zum Eishockeyturnier der 20. Makkabiade bestreiten. »Darauf sind wir sehr stolz«, sagt Jeitner. »Das war ein Bonbon.«

Die Idee, mit einer eigenen Eishockeymannschaft bei der Makkabiade anzutreten, kam Jeitner 2014 im Gespräch mit Alon Meyer, dem Präsidenten von Makkabi Deutschland. »Beim Summer Game der Frankfurter Löwen hatte Makkabi einen Stand«, erinnert sich Meyer. Jeitner ergänzt: »Wir haben uns da auf eine Kooperation verständigt.« Eine eigene Frankfurter Mannschaft kam nicht zustande. Aber eben die Makkabiade-Idee.

EmG 2015 Schon 2015 zu den European Maccabi Games in Berlin wäre das Debüt auf dem Eis möglich gewesen. »Wir hätten sogar die Möglichkeit gehabt, dort ein Eishockeyturnier anzubieten, aber es kam aus anderen Ländern keine Anmeldung, und unsere Spieler waren damals noch jung, spielten in der U18«, berichtet Jeitner.

Jeitner, der selbst in der Landesliga aktiv ist, klemmte sich ans Telefon, verschickte E-Mails und fragte in der Kabine bei Mannschaftskollegen und Gegnern nach. »Natürlich weiß man nicht, welcher Eishockeyspieler jüdisch ist«, beschreibt er das Problem. »Vom Makkabi-Vorstand kamen aber hilfreiche Hinweise: Namen und Telefonnummern, die wir angerufen haben.« Wenn er irgendwo anklopfte, war die Resonanz immer gut. Einmal sogar verblüffend: »Ich spiele ja nicht in einem jüdischen Verein, aber mich sprach einmal jemand an, mit dem ich schon lange in einem Team spielte: ›Mein Vater ist Jude.‹«

Auch Feodor Boiarchinov wurde so gewonnen. Der 24-Jährige stammt aus Berlin und ist beim DEL2-Klub Kassel Huskies unter Vertrag; in der nächsten Saison wechselt er nach Weißwasser zu den Lausitzer Füchsen. Boiarchinov, den im Team alle nur Feo rufen, ist der einzige Profi im deutschen Makkabi-Kader. In Israel war er noch nie. »Als ich meinen ersten Anruf erhielt, dachte ich, dass mich einer meiner Freunde hoppnehmen will«, erzählt Boiarchinov. Aber er wurde überzeugt, und jetzt ist er sogar als Spielertrainer dabei. »Ich habe mich ja auch umgehört, wer Jude ist«, erzählt er, wie er geholfen hat. »Oft habe ich andere Spieler direkt gefragt.« Jeitner ergänzt: »Wir mussten manchmal nach den Namen gehen.« Und lacht dabei herzlich.

Warum die Frage, ob es Juden sind, die den Sport betreiben, durchaus sinnvoll sein kann, erklärt Alon Meyer: »Menschen lernen so ihre Jüdischkeit kennen, viele reisen zum ersten Mal nach Israel, erleben ihren ersten Kabbalat Schabbat.«

geschichte Was Jeitner auf die Beine gestellt hat, ist die erste deutsche Makkabi-Eishockeymannschaft seit über 80 Jahren. Bei der zweiten Winter-Makkabiade, die im November 1936 im slowakischen Banská Bystrica ausgetragen wurde, stand ein deutsches Team auf dem Eis: Es unterlag damals der Tschechoslowakei mit 0:2.

Bei Jeitners Suche nach einer neuen Makkabi-Auswahl kam eine lustige Mischung zustande: aus Spielern der Münchner und Frankfurter Hobbyliga, der niedersächsischen U18, Landes- und Oberligaspielern, einem Talent aus der Jugendbundesliga und mit Feodor Boiarchinov sogar ein Profi. »Meine Pässe sollten schon ankommen«, sagt Boiarchinov und lacht. »Aber ob die auch gestoppt werden können, das werden wir sehen.«

Im Juni 2016, beim zweiten Vorbereitungslehrgang in Köln, kam es zur Begegnung mit einem Hobbyteam, das gerade auf dem Eis trainierte. Ergebnis: 9:0 für Makkabi, ein historischer Sieg. Grund, durchaus selbstbewusst nach Israel zu reisen.

flexibilität Mit gelassenem Optimismus geht auch David Jeitner an das Projekt heran. »Es gibt große Leistungsunterschiede, natürlich. Aber damit muss man umgehen.« Er setzt auf Flexibilität: »Die schwächeren Spieler werden wohl eher nicht die sein, die mit der Scheibe zwei, drei Leute ausspielen. Das müssen andere für sie machen«, sagt er. »Aber ein Aufbauspiel des Gegners zu zerstören, ist ja einfacher, als selbst das Spiel aufzuziehen.«

Gegner bei der Makkabiade ist nicht nur das Team Israel. Auch aus den Eishockeyländern Kanada, Russland und den USA sind Mannschaften angemeldet. »Wir fahren also nicht als Favorit dorthin«, kommentiert Jeitner lächelnd. Aber es gebe viele Spieler, »die zwar jüdisch sind und Eishockey spielen, aber ihr Interesse für Makkabi noch nicht entdeckt haben«.

An die will er ran – und widerlegt auch noch ganz schnell das sich aufdrängende Vorurteil, jüdisches Eishockey in Deutschland sei – ähnlich wie dieser Sport in den 90er-Jahren in Israel – ein Phänomen nur der russischsprachigen Einwanderer. »Wir sprechen deutsch in der Kabine«, sagt er lachend und fügt seriös hinzu: »Ich schätze mal, das Verhältnis ist fifty-fifty.«

trikots Jeitners Aufbauarbeit war erfolgreich. In nur zwei Jahren hat er ein Team zusammengetrommelt, konnte zwei Vorbereitungslehrgänge organisieren, und sogar Ausrüstung steht zur Verfügung. »Die Trikots haben wir als Sachspende vom Deutschen Eishockeybund bekommen«, berichtet er. »Es sind offizielle Nationalmannschaftstrikots – ohne ›Makkabi‹-Aufdruck, und wir werden sie auch nicht beflocken lassen.«

Sie stammen aus dem Fundus, der für die WM, die jüngst in Köln und Paris stattfand, angelegt wurde. Makkabi-Präsident Alon Meyer ist sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit: »Die hatten sofort zugesagt, dass sie logistisch helfen.« David Jeitner erläutert: »Die Rüstung selbst kriegen wir nicht gestellt. Aber das ist egal. Alle spielen ja in Vereinen und haben ihre eigene Rüstung, die sie mitbringen.«

Bleibt noch die Irritation, dass Jeitner, Boiarchinov & Co. die einzigen deutschen Wintersportler sind, die sich im Juli ausgerechnet nach Israel verirren. »Ach«, sagt Feodor Boiarchinov und lacht, »das wird doch eine coole Sache.«

Interview

»Wir reden mehr als früher«

Rabbiner Yechiel Brukner lebt in Köln, seine Frau Sarah ist im Herbst nach Israel gezogen. Ein Gespräch über ihre Fernbeziehung

von Christine Schmitt  13.03.2025

Bundeswehr

»Jede Soldatin oder jeder Soldat kann zu mir kommen«

Nils Ederberg wurde als Militärrabbiner für Norddeutschland in sein Amt eingeführt

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Hamburg

Hauptsache kontrovers?

Mit der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille wurde die »Christlich-Jüdische Zusammenarbeit 2025 – 5785/5786« eröffnet. Die Preisträger sind in der jüdischen Gemeinschaft umstritten

von Heike Linde-Lembke  13.03.2025

Purim

Schrank auf, Kostüm an

Und was tragen Sie zum fröhlichsten Fest im jüdischen Kalender? Wir haben uns in der Community umgehört, was in diesem Jahr im Trend liegt: gekauft, selbst gemacht oder beides?

von Katrin Richter  13.03.2025

Feiertag

»Das Festessen hilft gegen den Kater«

Eine jüdische Ärztin über Alkoholkonsum an Purim und die Frage, wann zu viel wirklich zu viel ist

von Mascha Malburg  13.03.2025

Berlin

Persien als Projekt

Eigens zu Purim hat das Kunstatelier Omanut ein Wandbild für die Synagoge Pestalozzistraße angefertigt

von Christine Schmitt  13.03.2025

Wilmersdorf

Chabad Berlin lädt zu Purim-Feier ein

Freude sei die beste Antwort auf die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen, sagt Rabbiner Yehuda Teichtal

 12.03.2025

Purim

An Purim wird »We will dance again« wahr

Das Fest zeigt, dass der jüdische Lebenswille ungebrochen ist – trotz der Massaker vom 7. Oktober

von Ruben Gerczikow  12.03.2025

In eigener Sache

Zachor!

Warum es uns besonders wichtig ist, mit einer Sonderausgabe an Kfir, Ariel und Shiri Bibas zu erinnern

von Philipp Peyman Engel  11.03.2025 Aktualisiert