Temperaturen über 30 Grad und mehr – na und? Da bleibt Sachsens Landesrabbiner Salomon Almekias-Siegl cool: »Man muss den Sommer wie den Winter genießen. So schlimm wird es in Deutschland mit der Hitze doch gar nicht«, sagt der 64-Jährige, der in Marokko geboren wurde und lange Zeit in Israel gelebt hat. Die sengende Hitze kann den Landesrabbiner nicht davon abhalten, regelmäßig zwischen Leipzig, Chemnitz und Dresden zu pendeln.
Auf leere Gotteshäuser trifft er dort trotz der hohen Temperaturen nicht. Allenfalls einige ältere Gemeindemitglieder bleiben lieber zu Hause. »Und das ist auch gut so«, meint Küf Kaufmann, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig fürsorglich. Wer trotz Hitze den Weg in die Leipziger Synagoge findet, wird in dem mehr als 100 Jahre alten Gebäude von angenehmer Kühle empfangen.
Das ist in Dresden anders. Das erst 2001 erbaute Gotteshaus wurde nach Vorbild des ersten Tempels Stein auf Stein gebaut, ohne Isolierung, wie Heinz Joachim Aris, der Vorsitzende der Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Sachsen erklärt. Diese Steine heizen sich jetzt im Sommer kräftig auf. »Glücklicherweise ist wenigstens die Glasfront des Gemeindezentrums sonnenfrei nach Norden ausgerichtet.« Lahmlegen kann die Sommerhitze das Gemeindeleben im Elbflorenz aber nicht. Auch die öffentlichen Führungen durch die Synagoge sind gut besucht. »Nur wenn Fußball läuft, wird es bei uns etwas leerer, weil wir im Gemeindezentrum keine Spiele übertragen«, sagt Aris. Über Hitzefrei muss sich Katia Novominski, Leiterin der Dresdner Sonntagsschule, keine Gedanken machen: Bis Mitte August legt die Sonntagsschule ohnehin eine Sommerpause ein.
Seeluft Bei uns an der Ostsee gibt’s immer eine kühle Brise«, freut sich Juri Rosov, Gemeindevorsitzender der Jüdischen Gemeinde Rostock. Viele Gemeindemitglieder seien deshalb in den vergangenen Tagen an den Strand gegangen, um der Hitze zu entkommen. »Am Schabbat hatten wir in der Synagoge wie gewohnt Minjan«, sagt Rosov. Die Leute seien etwas leichter bekleidet gewesen als normalerweise, aber natürlich trotzdem dem Anlass entsprechend. »Mineralwasser hat die Gemeinde zur Verfügung gestellt.«
»Wir haben unser Lüftungssystem der Synagoge schon im Voraus so eingestellt, dass es während der Gottesdienste angenehme 18 bis 20 Grad war«, erklärt Janina Kirchner, Sozialarbeiterin der Jüdischen Gemeinde Schwerin. Für den Kiddusch seien dann alle ins Nebengebäude gegangen. In diesem alten Bauwerk sei es immer schön angenehm. »Alle haben sich gefreut, von der brütenden Hitze draußen in die kühle Synagoge zu treten.«
»Das warme Wetter erinnert mich an meine Kindheit in Israel«, sagt Ruben Herzberg, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg. Sonnenschein und Hitze entspannten, fügt er schmunzelnd hinzu. Für viele seien die außerordentlich hohen Temperaturen ungewohnt. Dennoch habe die Hamburger Joseph-Carlebach-Schule ihren Schulbetrieb wie gewohnt aufrechterhalten, was sie auch ihrer Bauweise verdanke: »Das hohe, über 100 Jahre alte Gebäude der jüdischen Grundschule ist aus kühlem Gemäuer gebaut«, erläutert Herzberg. Trotzdem seien die Kinder immer daran erinnert worden, genügend Wasser zu trinken.
Trinkvorräte Der Sommer brachte auch im Rheinland Rekordtemperaturen bis 35 Grad. Insbesondere ältere Menschen, bei denen ein natürliches Durstgefühl nicht mehr den notwendigen Flüssigkeitsbedarf signalisiert, bekommen schnell Probleme. Das jüdische Nelly-Sachs-Altenheim in Düsseldorf hat in dieser Hinsicht umfassend Vorsorge getroffen. »Wir bieten nicht nur vermehrt herzhafte und elektrolythaltige Getränke an, sondern weisen auch unsere Mitarbeiter an, darauf zu achten, dass unsere Bewohner diese auch ausreichend trinken«, sagt Bert Römgens, Leiter des Nelly-Sachs-Hauses. Ferner wird der Speiseplan auf herzhafte kalte Suppen umgestellt. Am Nachmittag gibt es Eiskaffee, Eisschokolade, Milchshakes statt Kaffee und Kuchen sowie viel Obst wie Wassermelonen. Abdunkelungen sowie klimatisierte Räume sorgen dafür, dass die Hitze draußen bleibt. »Deswegen sind unsere Veranstaltungen trotz der Wärme nach wie vor gut besucht«, so Römgens
Auch die Kinder in der Yitzhak-Rabin-Schule stellen sich auf die Temperaturen ein. »Dass gerade bei Hitze viel getrunken wird, haben sie eigentlich drin. Wenn die Jungs beim Fußball rote Köpfe kriegen, heißt es erstmal in den Schatten und trinken«, sagt Schulleiterin Natascha Knoll.
Einen vergleichsweise geringen Rückgang bei den Gottesdiensten kann die Synagogen-Gemeinde Köln feststellen. »Bei unserem Gottesdienst Samstag früh sind kaum weniger gekommen, der ist den Menschen wegen der Orthodoxie wichtig, ansonsten sind es um die 15 Prozent, bei denen ich sagen kann, dass sie wegen der starken Hitze lieber zu Hause geblieben sind«, sagt Yitzhak Hoenig, Kantor der Gemeinde.
Standort Seine Lage zählt eigentlich zu den größten Standortvorteilen des Henry-und-Emma-Budge-Heims. An einem Hang oberhalb des Stadtteils Seckbach gebaut, bietet es einem Großteil seiner Bewohner Zimmer mit einem grandiosen Ausblick auf das Rhein-Main-Gebiet. Doch die Fenster sind nach Süden ausgerichtet, mittags wird es in den Zimmer ziemlich warm, bestätigt Nina Kuthan, Qualitäts- und Hygienebeauftragte.
Zimmer mit besonders großem Sonneneinfall werden verdunkelt und abends gelüftet. »Wenn es gar nicht anders geht«, so Kuthan, »sorgen wir dafür, dass sich die Bewohner in klimatisierte Räume begeben.« Auf dem Speiseplan steht in diesen Tagen leichte Kost und wasserreiches Obst und Gemüse. Die meisten müssen ihre Spaziergänge auf den Abend verschieben, berichtet Kuthan.
von Karin Vogelsberg, Lukas Dreifuss, Bernd Schuknecht und Danijel Majic