Frau Wünschmann, was hat Sie an der Leitung des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) gereizt?
Ich kannte das Institut aus meiner eigenen Ausbildung und fand es immer toll. Das IGdJ ist dafür bekannt, dass es sich immer neuer Themen annimmt, darunter viele im digitalen Bereich. Und es hat diese zwei Säulen: Forschung und Vermittlung, die auch Schwerpunkte meiner Biografie sind. Wissenschaft ist wichtig, aber wir müssen immer auch überlegen, wie wir unsere Inhalte und Ergebnisse an eine breitere Öffentlichkeit vermitteln können.
Können Sie einige Ansätze der Vermittlung benennen?
Mit den Projekten »Geschichtomat« und der Online-Quellendokumentation »Schlüsseldokumente« wurde hier schon früh mit digitalen Formaten gearbeitet, das hat mich beeindruckt. Auch der Podcast »Jüdische Geschichte Kompakt«, jetzt gemeinsam produziert mit meiner Vorgängerin Miriam Rürup und dem Moses Mendelssohn Zentrum, ist eine echte Erfolgsgeschichte.
Ihr Einstieg seit Oktober 2021 in Hamburg mitten in einer Corona-Hochphase war vermutlich nicht ganz einfach, oder?
Der Anfang fühlte sich an wie mit angezogener Handbremse. Ich wollte mich vorstellen, Kontakte knüpfen und viele Leute treffen. Das ging bis vor ein paar Wochen nur schwer. Dafür konnte ich das Haus und die Kollegen und Kolleginnen intensiv kennenlernen, was gut war. Aber ich war schon sehr ungeduldig auf die Stadt, zumal ich Hamburg bisher nur von Besuchen kannte.
Wie erleben Sie die Einbindung des Instituts in die Stadt und Gemeinde bislang?
Mir ist wichtig, dass wir eine gute Kooperation mit den jüdischen Gemeinden haben. Momentan arbeiten wir an zwei größeren Projekten mit der Jüdischen Gemeinde.
Wo setzen Sie selbst zukünftige Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Als Forschungsinstitut mit zunächst historischer Ausrichtung merken wir immer deutlicher, dass Geschichte und Gegenwart zusammengehören und wir hier auch Gegenwartsforschung betreiben. Unser Kerngeschäft ist und bleibt die Wissenschaft. Wir fragen uns jedoch auch, was die Bedarfe der Gesellschaft sind und was ein Institut wie unseres dazu beitragen kann.
Werden die Bürger mit eingebunden und wenn ja, wie?
Ich freue mich darauf, das Haus so weit wie möglich zu öffnen, jetzt, wo es wieder möglich ist. Für mich ist wichtig, mir zunächst die jüdische Lokalgeschichte Hamburgs zu erarbeiten, um zu verstehen, welche neuen Fragen wir daran tragen können. Es gibt eine wechselvolle Beziehungsgeschichte zwischen einer traditionell vielfältigen jüdischen Gesellschaft und der nichtjüdischen Mehrheit. Diese Sozialgeschichte zu erforschen, ist ein Schwerpunkt für mich, auch mit neuen Ansätzen.
Sie sind aber auch in der Lehre tätig?
Mein erstes Seminar an der Uni Hamburg gebe ich zu jüdischer Geschichte im Comic. Darüber freue ich mich, denn ich finde, dass Comics großes Potenzial haben, Geschichte zu vermitteln und uns die Annäherung an didaktisch herausfordernde Themen wie die Schoa zu ermöglichen. Comics berühren Menschen und können helfen, ein breites Publikum für jüdische Geschichte und Kultur zu interessieren.
Mit der Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden (IGdJ) in Hamburg sprach Moritz Piehler.