Die Hochzeitsanzeigen in den Magazinen jüdischer Gemeinden in Deutschland lesen sich wie Werbebotschaften für das Heilige Land. Ob Chuppa am Strand mit Palmen und Meeresrauschen, im Hotel am Roten Meer oder mitten im Wüstenvalley des Negev – auf den ersten Blick scheint Israel bei jungen jüdischen Paaren voll im Trend zu liegen.
»70 Prozent meiner Freunde haben in Israel geheiratet«, erzählt Karina Goldberg-Jivotovsky aus Frankfurt. »Die meisten, weil sie Verwandte dort haben und wegen der starken Identitätsbindung.« Die 29-jährige, die als Kind mit ihren Eltern aus Litauen nach Deutschland kam, weiß, wovon sie spricht. Als Sportmarketing-Beraterin von Makkabi Netanya lebte sie zwei Jahre in Israel, ganz in der Nähe ihrer Großeltern, Urgroßeltern und Freunde, und hätte selbst nur zu gern auch dort geheiratet. Denn schließlich begann auch die Romanze mit ihrem Mann an der Strandpromenade von Tel Aviv.
Liebeserklärung »Hochzeit in Israel wäre so etwas wie eine Hommage an das Land gewesen, in jeder Hinsicht«, seufzt die junge Frau. Doch aus pragmatischen Gründen entschied sich das Paar für das kanadische Montreal. »Leor, mein Mann, ist dort aufgewachsen und heute leben wir in New York – da lag Nordamerika näher als Israel. Zumindest geografisch.« Die Heimatgemeinde Frankfurt stand jedoch nicht zur Debatte. Obwohl Goldberg-Jivotovsky sich dort verwurzelt fühlt und noch immer Gemeindemitglied ist.
Natalie Kon aus Frankfurt und Isaak Better aus Berlin haben zu ihrer Hochzeit im September 2010 in Palmachim Beach an der Südküste von Tel Aviv sogar ihren Rabbiner aus Frankfurt einfliegen lassen. Das sei »nichts Ungewöhnliches«, meint Sara Efroni vom Frankfurter Rabbinat kurz. Immerhin seien die Familien eng befreundet, die Zeremonie durch Gemeinderabbiner Menachem Halevi Klein »ein Herzenswunsch des Brautpaares« gewesen. »Es ist aber auch nicht die Regel«, betont die Gemeindemitarbeiterin. Ebenso wenig wie Heiraten in Israel. »Das entscheidet jedes Paar ganz individuell«, meint Efroni und fügt erklärend hinzu: »Schließlich hat nicht jeder Taschen voller Geld oder Verwandte in Israel.«
Weniger Begüterte müssen deshalb nicht gleich auf die Chuppa verzichten. Ähnliche Beobachtungen macht auch Rabbiner Jaron Engelmayer in Köln. Drei bis vier Chuppot im Jahr betreut der Kölner Gemeinderabbiner. »Manch einer bevorzugt eine kleine, bescheidene Feier, andere legen groß auf. Das schmälert die Zeremonie kein bisschen. Wer jüdisch heiratet, ist sich der Tradition bewusst. Das zählt.«
Zusammenarbeit Für ihn ist es »eine Fügung des Himmels«, wenn sich junge jüdische Paare für die Chuppa entscheiden. Der orthodoxe Rabbiner und sein Team setzen dabei zum einen auf ein frühzeitiges Informationsangebot für junge Gemeindemitglieder und zum anderen auf einen guten Kontakt zu »angesagten Locations« in der Stadt. Dadurch haben sich allein im Raum Köln in den vergangenen Jahren neue Möglichkeiten erschlossen, denn die Zusammenarbeit zwischen beliebten Veranstaltungsorten und koscherem Catering, anfangs ein Experiment mit Risiko, hat sich mittlerweile bewährt und kommt bei jüdischen Brautpaaren gut an.
Das klappt nicht in allen Gemeinden so. In Düsseldorf verfügen heute immerhin zwei Hotels über eine koschere Küche. Doch als zu Keren Padans Hochzeit vor etwa zehn Jahren rund 300 Gäste aus aller Welt nach Düsseldorf kamen, hat die junge Frau lange überlegt. Aus Verbundenheit zu ihrer Heimatgemeinde, vor allem aber wegen des koscheren Essens, entschied sie sich schließlich für ein Fest in der Gemeinde. »Es sind schon einige, die hier heiraten. Auch wenn gerade das koschere Essen oft eine teure Angelegenheit ist.« Das mit dem Essen sei in Israel natürlich »viel einfacher«, sagt Padan.
Die Düsseldorferin war schon bei vielen Hochzeiten von israelischen Freunden dabei, darunter in so angesagten »Hot Spots« wie Herzliya, Caesarea und Jaffa, in schicken Innenhöfen, Luxushotels, unter freiem Himmel oder mit Blick aufs Meer. »Das Personal dort ist extra dafür ausgebildet, die Veranstaltungsorte sind bestens ausgestattet, auch für Hochzeitsgesellschaften mit 500 Gästen. Es gibt sogar Agenturen, die die gesamte Hochzeitsplanung übernehmen, von der Chuppa über das Catering bis zu Livemusik und Ketuba. Und das ist noch nicht einmal teuer.« Dennoch entschied sie sich für Düsseldorf.
kostenabwägung Dass Israel in mancherlei Hinsicht sogar kostengünstiger ist als Deutschland oder gar Nordamerika, erzählt auch Karina Goldberg-Jivotovsky. »In den USA kosten professionelle Hochzeitsfotografien rund 5.000 Dollar, in Israel hingegen nur 1.000 Dollar.« Jeder Ort hat sein Für und Wider, ob Frankfurt, Köln oder Herzliya. Letztlich geben oft pragmatische Gründe den Ausschlag. Die Anzahl der Verwandten in Israel und Deutschland wie finanzielle Fragen, Geschmack, koscheres Essen, die Identitätsbindung und das Wetter. »Jede Geschichte ist eine Geschichte für sich«, sagt Rabbiner Engelmayer. Kein Trend also, sondern die individuelle Entscheidung eines jeden jüdischen Brautpaares in Deutschland.