Es gibt Momente, in denen es eine Menge Sinn ergibt, sich die Inhaltsangabe anzuschauen: Beim chinesischen Stand auf dem Koscheren Street Food Festival im Hof der Neuen Synagoge hätte sich dies jedenfalls vorteilhaft ausgewirkt, denn das mit einem Koscher-Zertifikat versehene »Mapo Tofu« war zusätzlich mit zwei Chili-Schoten markiert. Schon eine Schote stand für »scharf«. Für zwei davon hätte man eine weitere Warnung erhalten sollen, denn der Verzehr des Tofu führte zum dringenden Bedürfnis nach einem Eimer frischer Limonade, die es nebenan gab.
Drei Meter weiter bot ein Familienbetrieb wohlschmeckende Pelmeni an. Die in Osnabrück lebenden ukrainisch-jüdischen Besitzer, die bereits lange vor dem russischen Angriffskrieg gegen ihr Land in die Bundesrepublik kamen, haben ihre Teigtaschen bei der Produktion von einem Rabbiner zertifizieren lassen. Viele der Besucher genossen das Produkt mit Kräutern und Knoblauch oder in einer Brühe. Leckerer ging es kaum.
bühne Gideon Joffe, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, erschien um kurz vor 13 Uhr auf der Bühne, um die konstant anwachsende Menge zu begrüßen – auf Deutsch, Türkisch, Ukrainisch und Chinesisch. Joffe brachte die Besucher des Festivals zudem dazu, sich gegenseitig lautstark und mehrfach einen guten Appetit zu wünschen – und zwar natürlich auf Iwrit: Beteʼavon!
Das Koschere Street Food Festival sei ein »weiterer Schritt in Richtung Normalität«, sagte Joffe dieser Zeitung vor Ort. »Die Menschen sollen sehen, dass koscheres Essen nicht allzu kompliziert ist. Wenn man sich ein bisschen Mühe gibt, dann schafft man es.«
Alle Menschen, die wissen wollten, was koscher eigentlich bedeutet, waren eingeladen zu kommen.
Alle Menschen, die wissen wollten, was koscher eigentlich bedeutet, waren eingeladen zu kommen. Vorwiegend schien es jedoch die jüdische Community zu sein, die bei schönem Wetter geduldig in der Schlange an der Sicherheitsschleuse stand, um sich schließlich im Hof zu versammeln. Die Atmosphäre war familiär und freundschaftlich. Tanzende kleine Mädchen, die »Vierer Jatz Bande« und andere Künstler trugen auch dazu bei.
warteschlange Koschere Weine und Biere waren gefragt, ebenso wie der Traubensaft. Wer darauf bestand, eines der leckersten Angebote des Festivals anzunehmen und Schawarma zu verzehren, musste sich in die längste Warteschlange stellen. Zig Alternativen warteten an zahlreichen Nachbarständen, darunter »Veganer Pulled Jackfood Burger mit Avocado Smash«.
In Berlin musste auch vegane Currywurst ins Angebot kommen, damit zumindest eine lokale Spezialität vorhanden war. Die hervorragende Falafel-Pita mit Kräutern schmeckte wie ein ganzer Gemüsegarten. Naschkatzen in der Riesen-Menge wurden nicht benachteiligt. Auch Süßigkeiten waren in Hülle und Fülle verfügbar.
»Ich bin beeindruckt, denn das Essen schmeckt, und viele Leute sind gekommen«, sagte ein aus Kalifornien stammender Teenager, der koschere Festivals schon aus Los Angeles kannte. Ein weiterer junger Berliner fand das Event »sehr lebhaft«. Es sei »berührend zu sehen, dass es wieder so viel jüdisches Leben in Berlin gibt«.