Es ist nicht exakt die »Halbzeit« - aber das, was die Initiatoren als den Höhepunkt des Festjahres »1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« bezeichnen. Am Samstag ist der eigentliche Gedenktag: Es nimmt Bezug auf ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin, das auf den 11. Dezember 321 datiert ist. Darin wird eine jüdische Gemeinde in Köln erwähnt. Das Dokument gilt als ältester schriftlicher Nachweis für jüdisches Leben nördlich der Alpen.
Der Leitende Geschäftsführer des zuständigen Festjahrvereins, Andrei Kovacs, sagte nun am Donnerstag, dass mit dem Festjahr das Gemeinsame betont werden solle. Jüdisches Leben werde im öffentlichen Raum gezeigt, damit sich mehr Menschen dafür interessierten. Zugleich solle Juden mehr Selbstbewusstsein gegeben werden.
Der Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, verwies darauf, dass die Initiative für das Festjahr aus der nichtjüdischen Mehrheitsgesellschaft gekommen sei. Ein Grund dafür könne sein, dass aus jüdischer Sicht der Bruch nach 1945 sehr groß gewesen sei und man sich daher schwer tue mit Kontinuitäten.
Aus Sicht der Direktorin des Nevatim-Programms der Jewish Agency for Israel, Anastassia Pletoukhina, bietet das Festjahr eine Chance nicht nur für Juden, sich mit jüdischen Themen auseinanderzusetzen. Sie betonte zugleich: »Ich denke, mit einem Jahr ist es nicht getan.« Sie sei neugierig, ob nach dem Festjahr, das bis Mitte 2022 läuft, Themen zum Judentum langfristig in der Debatte blieben.
Mit bundesweit 1.700 gehissten Flaggen erinnert der Jubiläumsverein an 1.700 Jahre jüdisches Leben. Seit Donnerstag weht den Angaben zufolge bereits ein Teil der Flaggen vor allem an jüdischen Einrichtungen. Die Aktion »Flagge zeigen für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus« beginnt am Samstag. Da Samstag Schabbat ist, wurde sie teils vorgezogen, wie es hieß.
An der Flaggenaktion beteiligen sich den Angaben zufolge öffentliche Einrichtungen, Landtagsgebäude, Parteien, Synagogen, Kirchen, Schulen, Universitäten, Sportvereine, Volkshochschulen, Museen und Privatpersonen sowie der Zentralrat der Juden in Deutschland.
Ebenfalls am Donnerstag wurde in Köln ein Plakat vorgestellt. Es zeigt den Physiker Albert Einstein, die Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim, den Pionier des deutschen Fußballs, Walther Bensemann, sowie mit zeitgenössischem Bezug die Schriftstellerin Mirna Funk und den Musiker Ben Salomo. Mit einem QR-Code können die fünf Biografien abgerufen werden. In zahlreichen Städten soll das Plakat gezeigt werden und somit der bedeutende Beitrag von Juden für Kultur und Geistesleben gewürdigt werden.
»Unsere Gesellschaft soll über dieses Festjahr in möglichst vielen Bereichen Einblick in jüdisches Leben erhalten: Sie sollen Standpunkte und Riten kennenlernen, Praxis und Besonderheit des Judentums erfahren können, so weit möglich auch einfach persönlich auf einen Juden treffen und persönlich sprechen«, erklärte der Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, in seinem Grußwort zur Vorstellung des Plakats in Köln.
Der Verein »321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« richtet das Festjahr aus. Bei einem zentralen Festakt in der Synagogen-Gemeinde Köln im Februar hatte unter anderen Schirmherr und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Festjahr eröffnet. Bundesweit finden mehr als 1000 Aktionen statt.