»Ist das der Schadowplatz?« »Wo ist die Stresemannstraße?« Das sind die ersten Fragen, die Bert Römgens an diesem Vormittag gestellt werden. Dabei verfolgt der Leiter des Nelly-Sachs-Hauses, des Elternheims der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf, mit einem Stand in der Innenstadt ganz andere Absichten. Er ist gekommen, um über die Pflege älterer Menschen zu sprechen, über die Arbeitsbedingungen von professionellen Pflegekräften und die Situation der Angehörigen. »Pflege ist ein Thema, das gesamtgesellschaftlich quer durch alle Schichten geht – aber erst, wenn es einen betrifft«, sagt Römgens.
Und es betrifft inzwischen so viele Menschen, dass am Stand des »Bündnisses für gute Pflege« bald nicht mehr nur nach dem Weg gefragt wird. Bert Römgens engagiert sich für die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) im Zusammenschluss der Wohlfahrtsverbände. Die ZWST arbeitet darin gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Caritas, Diakonie, dem Paritätischen und dem Deutschen Roten Kreuz (DRK).
Römgens erklärt die Sorge der Verbände: »In 30 Jahren wird die Zahl der Pflegebedürftigen mehr als doppelt so hoch sein. An Pflegefachkräften werden dann mehrere 100.000 fehlen.« Schon 2030 soll es in Deutschland 3,5 Millionen Pflegebedürftige geben, rund zwei Millionen sind es schon heute.
Interessenvertretung Diese Aussichten waren der Grund für den Zusammenschluss von 26 aktiven Verbänden und Gewerkschaften. Gemeinsam sprechen sie für 400.000 Beschäftigte, 750.000 Pflegebedürftige und 13,5 Millionen Mitglieder. Das Bündnis fordert eine gerechtere Finanzierung der Pflege, nämlich eine paritätische. Dass der Staat mehr investieren müsse, hätten auch Parteienvertreter bei Diskussionsveranstaltungen eingeräumt, erinnert Römgens. Er ist sicher, dass »das Thema auch die nächste Bundesregierung beschäftigen wird«. Denn »dass etwas passieren muss, ist klar. Ansonsten kollabiert das System.«
Durch Aktionen wie den Stand in Düsseldorf oder die Abschlussveranstaltung der Kampagne am vergangenen Samstag auf dem Berliner Alexanderplatz sollen Vertreter der Kommunen, der Länder und des Bundes ebenso wie die Bevölkerung für das Thema sensibilisiert werden. Die Verbände haben sich mit einem Forderungskatalog an die Politik gewandt. Sie verlangen maßgeschneiderte Leistungen für Pflegebedürftige, mehr Unterstützung für pflegende Angehörige sowie bessere Lohn- und Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen.
Familienbilder »Wir befinden uns gerade in einem Wandel«, sagt der Leiter des Nelly-Sachs-Hauses. »Es gibt immer mehr Familienbilder, die anders aussehen als die von vor 20 oder 30 Jahren. Wir können uns nicht darauf verlassen, dass es pflegende Angehörige – in der Regel sind es die Frauen – gibt, die diese Aufgaben übernehmen.« Etwa zwei Drittel der Pflegebedürftigen in Deutschland werden von Angehörigen versorgt, erklärt Römgens. »Und in keinem anderen Wohlfahrtsverband wird so viel durch Angehörige aufgefangen wie in der jüdischen Gemeinschaft.«
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