Ein Unbekannter hat nach Polizeiangaben am Samstagmorgen einen Brandanschlag auf die Synagoge in Ulm verübt. Ein Zeuge hatte gegen acht Uhr einen Mann beobachtet, der an der Synagoge eine Flüssigkeit aus einer Flasche auf den Boden goss und anzündete, teilte das Polizeipräsidium Ulm mit. Der Zeuge habe sofort Feuerwehr und Polizei angerufen, Minuten später habe die Feuerwehr die Flammen gelöscht und konnte somit noch schlimmeres verhindern.
Die Polizei ermittelt nun wegen versuchter Brandstiftung, der Staatsschutz wurde hinzugezogen. Wie das Staatsministerium mitteilte, wurden die Schutzmaßnahmen in Ulm hochgefahren. Außerdem werde geprüft, ob dies aufgrund der aktuellen Situation auch bei anderen jüdischen Einrichtungen im Land nötig ist.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verurteilte den Brandanschlag. Der »niederträchtige Anschlag« zeige »das heimtückische Gesicht des Antisemitismus, dem wir klar und deutlich entgegentreten«, sagte er laut einer Mitteilung des Staatsministeriums in Stuttgart.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte: »Brandsätze gegen Synagogen zu werfen ist widerwärtig.« Wer versuche, eine Synagoge anzuzünden, den werde die volle Härte des Rechtsstaates treffen.
»Wir sind dankbar und froh, dass jüdisches Leben bei uns stattfindet und wollen, dass dieses jüdische Leben bei uns möglichst sorgenfrei und unbeschwert sein kann.« Deshalb schütze man jüdisches Leben und bekämpfe Antisemitismus entschieden, sagte der Innenminister.
Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, teilte mit, man müsse sich auch in Baden-Württemberg der bitteren Wahrheit stellen: Während die allgemeine Kriminalität sinke, radikalisiere sich der Antisemitismus weiter.
Er habe die Einladung der jüdischen Gemeinde angenommen, mit ihr am Samstagabend den Gottesdienst zum Ausklang des Schabbat zu begehen. »Der Antisemitismus radikalisiert sich wieder, doch diesmal lassen wir unsere jüdischen Gemeinden nicht alleine«, sagte Blume.
Der Vorfall von Samstag lasse wieder einmal die Menschen fassungslos zurück, erklärte der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, am Abend. »Die Frage, ob jüdische Einrichtungen nicht nur in Baden-Württemberg besser geschützt werden sollten, wirkt nach den Erfahrungen der letzten Monate und Jahre in Deutschland nur noch hilflos und ignorant.«
Heubner betonte: »Mit jedem Anschlag auf jüdische Gebäude und jüdisches Leben wächst die Angst der Überlebenden des Holocaust, dass die Schlacht gegen den aktuellen Antisemitismus in Wirklichkeit längst verloren ist und sie ihren Kindern und Enkelkindern eine Welt hinterlassen, in der auch ein neues Auschwitz möglich sein kann.«
Er frage sich, ob die Menschen verstanden hätten, dass auch ihre Demokratie »im Strudel dieses antisemitischen Hasses« zerstört werde.
Die Ulmer Prälatin Gabriele Wulz sagte: »Der Brandanschlag auf die Synagoge macht fassungslos und ist doch traurige Realität in unserer Stadt im Jahr 2021.« Das Gift des Judenhasses wirke und wüte bis heute unter uns. »In den Jahrzehnten des jüdisch-christlichen Gesprächs haben wir gelernt: Wer Israel antastet, der tastet Gottes Augapfel an.«
Um ihre Solidarität mit der Jüdischen Gemeinde zu zeigen, versammelten sich am Samstagabend mehr als 100 Menschen vor der Synagoge in Ulm. An der Kundgebung nahmen unter anderem Barbara Traub, Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs, Ulms Gemeinderabbiner Schneur Trebnik, Antisemitismusbeauftragter Michael Blume und Oberbürgermeister Gunter Czsisch (CDU) teil.
Am Sonntagvormittag ist eine weitere Solidaritätskundgebung vor der Synagoge am Münsterplatz geplant. epd/kna/ja