Debatte

Boykott in Bremen

Universität Bremen Foto: Universität Bremen

Die Jüdische Gemeinde im Lande Bremen ist von der Bremer Politik enttäuscht. Seit einigen Jahren mehren sich Veranstaltungen, die zum Boykott von Israel aufrufen und judenfeindliche Stimmung anheizen, empört sich Grigori Pantijelew. Die Gemeinde respektiere solche Diskussionsabende zwar, »weil sie von der Meinungsfreiheit gedeckt« sind, sagt der stellvertretende Gemeindevorsitzende, »das müssen wir auch als Juden aushalten«.

Aber Meinungsfreiheit habe auch Grenzen. »Wir haben immer ein vertrauensvolles Verhältnis mit der Stadt und dem Senat gehabt«, betont Pantijelew, aber das werde getrübt, wenn mehr und mehr israelfeindliche Veranstaltungen in öffentlichen Räumen stattfinden. »Es ist traurig, wenn dieser Konsens in der Politik der Stadt Bremen gebrochen wird.«

Israel-Kritik Jüngstes Beispiel ist eine Veranstaltung mit dem Verleger Abraham »Abi« Melzer im Gästehaus Teerhof der Universität Bremen. Thema: »Israel-Kritik und Antisemitismus«. Angekündigt wurde Melzer als »ein Kritiker der israelischen Regierung, insbesondere der Besatzungs- und Siedlungspolitik im Westjordanland«, dessen »Meinungsfreiheit« bundesweit wegen seiner kritischen Positionen verhindert werde.

Eingeladen wurde Melzer von dem emeritierten Kriminalwissenschaftler der Universität Bremen, Johannes Feest. Melzers Kritik habe »ihn letztlich in Konflikt mit der zunehmend verständigungsfeindlichen Politik Israels gebracht«, schreibt Feest. Zwar sei er früher in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft aktiv gewesen, wie er betont, aber heute befürworte er den Boykott Israels wegen der »Besetzung des Westjordanlandes«.

Ihn habe empört, sagt Feest, dass Melzer in deutschen Städten nicht mehr auftreten könne, weil zum Beispiel in München Veranstaltungen »unter anderem aufgrund einer Intervention von Charlotte Knobloch« verhindert würden. Melzer sei, schreibt Feest auf dessen Webseite, im »Visier der offiziellen und offiziösen Vertreter dieser Politik«.

Meinungsfreiheit
Wer die »offiziösen Vertreter« sind, wurde schon im Vorfeld benannt, empört sich Gemeindevertreter Pantijelew – »das jüdische Establishment in Deutschland«. Die Vertreter des Judentums in Deutschland nutzten ihren Einfluss, um »kritische Juden« in ihrer Meinungsfreiheit zu behindern, meint Feest. Das wollte die jüdische Gemeinde Bremen dann doch nicht als Veranstaltung zur Meinungsfreiheit akzeptieren. Sie wandte sich an den Rektor der Universität, Bernd Scholz-Reiter. Erst nach mehrmaligem Drängen kam es zu einem Kontakt. »Lassen Sie uns das kleinhalten und kein großes Ding daraus machen. Sie können doch mitdiskutieren. Dies ist Meinungsfreiheit«, gibt Pantijelew die Gespräche mit dem Rektorat wieder.

Auf Anfrage der Jüdischen Allgemeinen teilte die persönliche Referentin von Scholz-Reiter mit, das Rektorat habe die »geplante Veranstaltung kritisch diskutiert« und mit der jüdischen Gemeinde telefoniert. Nach »interner Prüfung und Abwägung« habe die Hochschulleitung allerdings keine Veranlassung gesehen, »die Nutzung ihrer Räumlichkeiten zu untersagen«.

Positionen Ausschlaggebend dafür sei auch gewesen, dass weitere Veranstaltungen mit kontroversen Positionen in der Reihe »Meinungsfreiheit« vorgeschlagen worden seien. Gemeinde und Feest hätten dies im Gespräch mit dem Rektor nicht nur »ausdrücklich positiv aufgenommen«, sondern auch »zugesichert, Vorschläge für geeignete Referenten zu machen«. Dies sei wohl auch inzwischen geschehen.

Die Erklärung des Rektorats sorgt bei der jüdischen Gemeinde erneut für Ärger. Mit dieser Äußerung versuchten Uni-Rektor und Veranstalter den Eindruck zu erwecken, dass die »jüdische Gemeinde durch eine ›ihr erlaubte Gegenposition in der Uni‹ mit der Veranstaltung Melzer mittlerweile einverstanden«, sei, erklärt Gemeindevorsitzende Elvira Noa. »Das ist einfach eine Lüge, mit der sie sich eventuell von dem Makel befreien wollen.« Mit der jüdischen Gemeinde Bremen werde es keine »Gegenveranstaltung« geben. »Sie wurde weder mit dem Rektor noch mit Herrn Feest vereinbart.«

Berlin

Hommage an jiddische Broadway-Komponisten

Michael Alexander Willens lässt die Musik seiner Großväter während der »Internationalen Tage Jüdischer Musik und Kultur« erklingen

von Christine Schmitt  21.11.2024

Leo-Baeck-Preis

»Die größte Ehre«

BVB-Chef Hans-Joachim Watzke erhält die höchste Auszeichnung des Zentralrats der Juden

von Detlef David Kauschke  21.11.2024

Düsseldorf

Für Ausgleich und Verständnis

Der ehemalige NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erhielt die Josef-Neuberger-Medaille

von Stefan Laurin  21.11.2024

Jubiläum

Religionen im Gespräch

Vor 75 Jahren wurde der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit gegründet

von Claudia Irle-Utsch  21.11.2024

Engagement

Helfen macht glücklich

150 Aktionen, 3000 Freiwillige und jede Menge positive Erlebnisse. So war der Mitzvah Day

von Christine Schmitt  20.11.2024

Volkstrauertag

Verantwortung für die Menschlichkeit

Die Gemeinde gedachte in München der gefallenen jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs

von Vivian Rosen  20.11.2024

München

»Lebt euer Leben. Feiert es!«

Michel Friedman sprach in der IKG über sein neues Buch – und den unbeugsamen Willen, den Herausforderungen seit dem 7. Oktober 2023 zu trotzen

von Luis Gruhler  20.11.2024

Aus einem Dutzend Ländern kamen über 100 Teilnehmer zum Shabbaton nach Frankfurt.

Frankfurt

Ein Jahr wie kein anderes

Was beschäftigt junge Jüdinnen und Juden in Europa 13 Monate nach dem 7. Oktober? Beim internationalen Schabbaton sprachen sie darüber. Wir waren mit dabei

von Joshua Schultheis  20.11.2024

Porträt

»Da gibt es kein ›Ja, aber‹«

Der Urgroßvater von Clara von Nathusius wurde hingerichtet, weil er am Attentat gegen Hitler beteiligt war. 80 Jahre später hat nun seine Urenkelin einen Preis für Zivilcourage und gegen Judenhass erhalten. Eine Begegnung

von Nina Schmedding  19.11.2024